Hunde lieben Rituale! Und auch wir Menschen fühlen uns gut, wenn etwas Vertrautes passiert. Doch ein Ritual kann auch sein, wenn dein Hund dich pünktlich zu einer gewissen Uhrzeit daran „erinnert“, dass es Gassi- oder Essenszeit ist. Wie du  Rituale in der Hundeerziehung nutzen und damit auch den Alltag mit Hund entspannter gestaltest, erfährst du hier.

Auf die Idee zu diesem Beitrag brachte mich ein Lieblingsrudelmitglied  auf Instagram. Ich hatte ein Foto von Murdoch und Freya gepostet, in dem die beiden in der Küche herumlungern und auf ihr Abendessen warten.

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Ich fragte, ob andere Hunde auch genau aufpassen, wann es Zeit ist für das Abendessen, den Spaziergang oder Kuscheleinheiten. Besagtes Lieblingsrudel-Mitglied erwähnte dann, dass ihr Hund  eine zeitlang sehr vehement auf die Gassizeiten gepocht hatte und sie sich deshalb entschloss, ihm dieses ritualisierte Verhalten abzugewöhnen.

Ja, das kenne ich: Man sitzt am Rechner im Home Office und bereits eine halbe Stunde vor der eigentlichen Gassizeit macht sich Unruhe im Rudel breit und man wird auf Schritt und Tritt verfolgt. Das kann schon ganz schön nerven!

Natürlich ist ritualisiertes Verhalten oft ein Problem in der Hundeerziehung. Nicht nur Gassi- oder Essenszeiten merkt sich dein Hund ganz genau, sondern auch, welche Verhaltensweisen ihn in bestimmten Situationen weiter bringen. So kann es z.B. sein, dass die Leinenaggression, die dein Hund zeigt, bereits ein Verhalten ist, an dass sich alle schon viel zu sehr gewöhnt haben. Das wäre ein Beispiel für ein negatives Ritual.

Die Diskussion darum hat mich zum Nachdenken gebracht. Denn wenn man es genau betrachtet, finde ich Rituale eigentlich ganz gut und sie helfen mir besonders im Alltag mit den Hunden sehr. Denn es ist mit Ritualen doch wie mit allem anderen auch: es gibt positive und negative. Die Frage ist, was man draus macht und wie man sie sich zunutze macht.

Hier deshalb ein paar Gründe, warum Rituale in der Hundeerziehung toll sind und wie man sie für sich nutzt.

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Rituale geben Sicherheit

Um die Bedeutung von Ritualen zu erkennen, braucht man sich nur unsere Evolutionsgeschichte anzuschauen. Bereits seit ewigen Urzeiten bestimmen Rituale unser menschliches Leben. Ob wir damit den einen oder anderen Gott zelebrieren oder im Familienkreis Traditionen pflegen – Rituale geben uns ein Gefühl der Sicherheit und des Vertrauten. Und das hat seine Gründe!

Rituale sind eine fest etablierte Reihenfolge von Handlungen und können daher fast automatisch ablaufen, ohne dass unser Gehirn Energie darauf verschwenden muss, Entscheidungen zu treffen. Und das sicherte schon immer unser Überleben. Zum einen können wir damit effizienter mit den vorhandenen Ressourcen (Energie) umgehen, zum anderen minimieren Rituale die Möglichkeit für Fehlentscheidungen. Hat man einmal ausprobiert, was in bestimmten Situationen funktioniert, wird man es immer wieder so machen. Warum auch nach neuen Lösungen suchen, wenn die existierende gut funktioniert?

Aber nicht nur im evolutionären und spirituellen Sinne sind Rituale für uns ein Anker im hektischen Alltag. Nimmt man z.B. Einschlafrituale für Kinder oder das Morgenritual eines erfolgreichen Unternehmers, sind das feste Bestandteile des Tages, die uns einen Rahmen und damit Sicherheit geben. Etwas Vertrautes, was immer da ist. Egal, was sonst noch passiert.

Bei uns gibt es eine ritualisierte Form des Gassigehens, speziell wenn wir in der Stadt unterwegs sind. Meine beiden sind es eigentlich gewohnt, frei Schnauze durch Felder und Wälder zu spazieren, aber hin und wieder müssen sie dann doch mit in die Stadt oder auf Veranstaltungen mit vielen Menschen. Da wäre es natürlich äußerst hinderlich, wenn die beiden Schlachtschiffe frei entscheiden, in welche Richtung sie ihr zierliches Frauchen als nächstes zerren.

Also heißt es, bevor es los geht, in solchen Fällen: „Soooo, dann bitte mal alle auf ihre Position!“ Daraufhin sortieren sich die Hunde auf meiner rechten Seite und ich die Leinen. Murdoch läuft direkt neben mir, Püppi außen. Alle beide auf einer Seite von mir, damit ich sie vor entgegen kommenden Autos, Fahrrädern oder Kinderwagen abschirmen kann. So muss ich praktisch nur auf einer Seite auf den Verkehr achten.

Der Vorteil an dieser Kombination ist, dass Murdoch von seinen beiden Weibchen (Püppi und mir) eingerahmt ist und wir damit beruhigend auf ihn einwirken können. Er lässt nämlich schon ganz gern mal den Macho raushängen, wenn uns andere Hunde begegnen. Zum anderen ist er dann nicht permanent abgelenkt von den Gerüchen an Häuserwänden, Büschen und Straßenlaternen und bleibt dauernd stehen um zu markieren.

Wenn Murdoch in der Mitte läuft ist er voll und ganz bei der Sache. Er passt sich der Geschwindigkeit der Gruppe an und läuft entspannt neben mir, während Püppi mit ein bißchen mehr Leine die Möglichkeit hat, im Laufen vor sich hin zu schnüffeln.

Dieses als Ritual etabliert zu haben, gibt mir die Sicherheit, meine beiden Hunde im Straßenverkehr führen zu können, ohne dabei uns oder andere in Gefahr zu bringen.  Jeder kennt seinen Platz und nimmt ihn gern ein. Denn gemeinsam sind wir dann als Rudel noch mehr verbunden, weil wir sozusagen die Herausforderung Menschenmenge gemeinsam meistern. Auch Katzen, Tauben oder sonstiges Beutetier wird dann links liegen gelassen und alle sind voll bei der Sache.

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Rituale fühlen sich gut an

Man könnte sagen, Rituale sind so etwas wie unsere Komfortzone. Durch die Sicherheit, die sie vermitteln wissen wir immer, was von uns erwartet wird. Und wir wissen, was wir zu erwarten haben. Ich denke, gerade in unserer heutigen Zeit ist es wichtig, solche Anker der Vertrautheit zu haben. Denn sie erden uns und geben uns innerlich ein Glücksgefühl.Genauso wichtig sind sie für unsere Hunde.

Ich weiß noch, wie sehr ich es als Kind genossen habe, mit meiner Oma im Garten auf der Holywoodschaukel zu sitzen und zu spielen, dass wir in einer Pferdekutsche sind und jetzt zum Acker fahren. Obwohl ich das heute nur aus nostalgischen Gründen noch tun würde, gibt es mir ein Gefühl von Glück und Geborgenheit. Manchmal fühlt es sich wirklich gut an, daran zurück zu denken.Hast du auch Rituale, an die du dich gern zurück erinnerst?

Da Work-Life-Balance immer ein großes Thema für mich ist, will ich die Notwendigkeit von  Wohlfühl-Ritualen nicht unerwähnt lassen. Sicherlich geht es auch dir so, dass du immer viel um die Ohren hast. Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, ist manchmal nicht so einfach. Besonders, wenn man dann noch dauernd von neuen Ideen unterbrochen wird.

Speziell in meiner Generation (Mitte 30) und als Unternehmer (oder Entrepreneur, wie es neudeutsch heißt) herrscht die fast religiöse Einstellung, nur mit pausenloser harter Arbeit kann man etwas erreichen. Das ist sicher richtig, aber wie bei allem anderen ist auch hier ein ausgewogenes Maß der Dinge nötig. Denn sonst steht man früher oder später garantiert vor dem berühmt-berüchtigten Burn Out.

Ich persönlich halte es deshalb für wichtig, sich genug Zeit für die Dinge und Menschen zu nehmen, die einem besonders am Herzen liegen. Dazu gehören wir selbst, Familie und Freunde, aber natürlich auch unsere Hunde.

Deshalb haben wir bei uns ein kleines Wellness-Ritual entwickelt, das gleichzeitig noch den Sinn der Ohrenreinigung erfüllt. Bei machen Hunden nicht unbedingt ein beliebtes Thema, was meist daran liegt, dass es den Hunden unangenehm ist. Und ich kann verstehen, dass man einem Menschen, den man noch nicht so gut kennt, nicht zutraut, dass er einem an so empfindlichen Stellen wie den Ohren herum fummelt. Dennoch muss es nun einmal sein, warum kann es dann nicht gleich auch Spaß machen?

Mit Murdoch habe ich das von Anfang an so gemacht und besonders in der ersten Zeit relativ häufig und regelmäßig geübt. Ich setze mich auf den Kuschelteppich im Wohnzimmer und lade ihn dazu ein, sich vor mich zu legen. Dann gibt es erst mal eine kurze Kuscheleinheit, damit er sich entspannt. Wenn er locker liegen bleibt, nehme ich das Ohrputzzeug zur Hand und fange an, die Lösung auf ein Taschentuch zu träufeln. Murdoch schnüffelt kurz dran und lässt den Kopf dann wieder sinken.Das ist für mich das Zeichen, dass es okay ist.

Tipp: Wärme die Flüssigkeit vorher mit den Fingern an! Kaltes Wasser im Ohr, wenn man sich gerade richtig schön entspannt, nimmt der ganzen Sache irgendwie die Faszination, oder?

Dann reinige ich zuerst den äußeren Bereich des Ohres mit kreisenden Bewegungen. Das findet er toll und fängt dann immer an, das auch verbal zu äußern. Später, wenn er wieder entspannt liegt, mache ich mich dann an die Detailarbeit. Dabei gehe ich natürlich immer vorsichtig vor, rede leise mit ihm, wie toll er das macht und genieße die Zweisamkeit. Wenn alles fertig ist, gibt es zum Dank ein Leckerchen.

Als Freya zu uns kam, war sie kein großer Freund von Berührungen. Sie kannte uns noch nicht so gut und war daher etwas komisch drauf. Mir hat es sehr geholfen, ihr unser Ohrenputzritual mit Murdoch zu zeigen. Sie hat es dann auch sehr schnell begeistert über sich ergehen lassen. Nachdem sie begriffen hatte, wie toll das eigentlich ist, wollte sie eine zeitlang sogar vordrängeln. Aber sie hat schnell kapiert, dass sie warten muss und legt sich seitdem immer entspannt neben uns und wartet, bis sie dran ist.

Tipp: Bei Hunden, die vom Ohrenputzen nicht so begeistert sind, kannst du beruhigende Düfte (z.B. Lavendel) einsetzen. Den Geruch kann man dann auch super mit dem Ritual verbinden.

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Rituale verbinden

Ohrenputzen! Ich hatte es oben schon erwähnt. Das ist eines meiner Lieblingsrituale. Denn ich weiß, dass die Prozedur langwierig und nervtötend sein kann, wenn der Hund sich wehrt. Ein entspannendes und schönes Erlebnis daraus zu machen, verbindet ungemein. Wie einträchtig wir zusammen sitzen, alle gemeinsam auf einem Haufen, das ist schon toll. Wenn Murdoch einem dann noch die Füße leckt, ist die Welt perfekt! 🙂

Nicht ohne Grund ist rituelles Verhalten (Religionen) einer der Grundpfeiler der menschlichen Entwicklungsgeschichte. Sie verbinden uns nicht nur mit den Göttern oder der Natur, sondern auch mit unseren Mitmenschen. Ob jetzt im großen Stil bei Massenversammlungen, wie dem Kirchentag oder Heavy Metal Konzerten oder in kleineren Varianten, wie dem Familiendinner am Sonntag oder den kleinen Aufmerksamkeiten, die man seinem Partner hin und wieder mitbringt.

Und irgendwie ähnelt uns der Hund da sehr. In seinem familienähnlichen Verband gibt es zahlreiche Rituale, die die Rudelmitglieder untereinander zelebrieren. Da gibt es spezielle Formen, sich zu begrüßen, die Rangfolge beim Futter, Spiele oder gemeinsame Ausflüge. Überall findet man auch im Hundeverhalten Formen von Ritualen. Kein Wunder bei sozial dermaßen hoch entwickelten Tieren!

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