Leider ist für viele Menschen ein an den Ohren oder der Rute kupierter Hund immer noch ein ganz normaler Anblick. Während sich bei anderen Rassestandards, wie z.B. einer verkürzten (Platt-) Nase mittlerweile auch in der breiten Bevölkerung die Erkenntnis breit macht, dass so etwas nicht geht, nehmen viele von uns kupierte Hunde immer noch als normal wahr. Doch was ist genau so schlimm am Kupieren der Rute und Ohren? Das will ich heute mal genauer erklären.

Versteh mich nicht falsch, auch ich habe mir lange Zeit nicht viel dabei gedacht, wenn jemand einen kupierten Hund hatte. Klar, ich fand das unnötig und teilweise sogar häßlich und natürlich war mir auch bewusst, dass sowas tierschutzrechtlich absolut nicht vertretbar ist. In Deutschland ist es glücklicherweise verboten, es sei denn, es handelt sich um einen medizinisch notwendigen Eingriff. Da ich aber keine kupierten Hunde habe und auch nicht plane, mir welche anzuschaffen tangierte mich das Thema bislang nur sehr wenig.

Der erste Hund, der mich damals von meiner Angst vor Hunden befreit hat, war ein Cocker Spaniel. Freunde meiner Eltern hatten ihn in den frühen Neunzigern auf einem Straßenmarkt in Ungarn gekauft (jajaja, ich weiß…) und er kam sozusagen bereits am Schwanz kupiert. Das ist keinem von uns damals großartig aufgefallen. Immerhin war die Diskussion in den 90er Jahren noch nicht soweit. Zumindest hatte sich dies nicht zu uns Neu-Hundebesitzern durchgeschlagen.

Im Laufe meiner Jahre als Hundehalter kam ich häufiger mit kupierten Hunden in Kontakt. Und realisierte, dass noch viel mehr als eine unnötige Schönheitsoperation und Schmerzen dahinter standen.

Warum werden Hunde kupiert?

Das frage ich mich auch. Dennoch gibt es eine Ausnahme, in der es erlaubt ist, dem Hund die Ohren oder den Schwanz zu kupieren. Bei Hunden, die für die Jagd eingesetzt werden, ist es noch heute erlaubt. Hier kupiert man vorsorglich die Rute von kurzhaarigen Jagdhunden, da diese häufig durchs Gebüsch laufen und dort ein erhöhtes Verletzungsrisiko besteht. Ohne jetzt eine Grundsatzdiskussion über das Für und Wider von Jägern zu beginnen, kann ich es hier noch halbwegs einsehen, dass das Kupieren Sinn macht.

Doch weitaus mehr Hunde in Deutschland sind kupiert, weil es einem Schönheitsideal entspricht. Häufig handelt es sich um bullige Rassen, um diese noch imposanter und aggressiver wirken zu lassen. Und hier hört der Spaß wirklich auf, finde ich. Wenn ich mir einen kupierten Hund zulege, damit der beeindruckend und angsteinflößend auf andere wirkt, dann habe ich doch echt ein Problem mit mir selbst, oder?

So werden Ohren oder Rute beim Hund kupiert

Das Kupieren der Ohren erfolgt meist im Welpenalter von 8 bis 12 Wochen und erfolgt, wenn der Welpe Glück hat, mit einer Operation, bei der er narkotisiert wird. Für einige Halter mag das ein Punkt sein, um die ganze Sache zu entschuldigen, denn der Welpe bekommt von der ganzen Prozedur und den Schmerzen ja nichts mit. Jedoch ist auch das darauffolgende wochenlange Aufstellen und „Tapen“ der Ohren, die gerade frisch operiert wurden, sehr schmerzhaft für den Hund.

Das Kupieren der Rute erfolgt meist schon wenige Tage nach der Geburt. Auch hier wird der Welpe narkotisiert und die Rute wird operativ entfernt und es sind nach der Operation wochenlange Schmerzen zu erwarten, vor allem, da das Wedeln mit dem Schwanz bei Hunden häufiger vorkommt und dadurch die frische Wunde immer wieder belastet wird.

Als Hundefreund stellt man sich dann schon die Frage, warum ein Hund in so jungem Alter solch einer Operation, dem darauffolgenden Heilungsprozess und der permanenten Einschränkung ausgesetzt werden muss. Es dürfte doch jedem klar sein, dass solch ein Eingriff traumatisch für die Hunde sein und lebenslange Folgen nach sich ziehen kann. Und dass ein Hund, der dauernd Schmerzen hat, sich nicht gut entwickeln und lernen kann, ist ja eigentlich auch klar.

Die Herkunft kupierter Hunde ist oft fragwürdig

Wenn in Deutschland das Kupieren verboten bzw. nur in Ausnahmefällen erlaubt ist, fragt man sich natürlich, warum man trotzdem so viele kupierte Hunde auf unseren Straßen, in Hundeparks und Hundeschulen sieht. Im Ausland gibt es solche Gesetze leider nicht und so finden viele Welpen immer wieder den Weg nach Deutschland. Denn das Importieren kupierter Hunde ist nicht verboten und oft stellt sogar das jeweilige Land noch eine Kupierbescheinigung aus, mit welcher der Hund offiziell nach Deutschland einreisen darf. Eine kleine Gesetzeslücke, die einen wunderbaren Spielraum für fragwürdige Geschäfte eröffnet. Kupierte Hunde sind alles andere als günstig…

Übrigens macht man sich strafbar, wenn man seinen Welpen, der in Deutschland geboren wurde, nur zum Kupieren ins Ausland bringt und ihn dann wieder einführen möchte. Besonders bei den Ohren ist es ebenso verboten, diese zu „tapen“ und dadurch dazu bringen, sich dauerhaft aufzustellen, da dies zum Akt des Kupierens dazugezählt wird.

Langfristige Probleme bei kupierten Hunden

In der Hundesprache wird sehr viel über die Stellung der Rute und der Ohren kommuniziert. Schneidet man diese ab, nimmt man dem Hund also einen wichtigen Teil seines „Sprachschatzes“, was es nicht nur für Menschen, sondern besonders auch für andere Hunde schwer macht, den Gegenüber zu deuten und richtig einzuschätzen. Ich vergleiche das gern damit, dass man einem Kind die Zunge rausschneidet und es so ein Leben lang nicht ordentlich sprechen und mit seinen Mitmenschen kommunizieren kann. Muss sich jeder mal seine eigenen Gedanken drüber machen…

Auch körperlich schränkt eine kupierte Rute den Hund massiv ein, denn er kann Probleme mit dem Gleichgewicht haben. Besonders bei jungen Hunden, die noch im Wachstum sind, stelle ich mir das problematisch vor. Generell sagt man auch, dass die körperliche Agilität von kupierten Hunden weit entfernt ist von der, die Hunde mit einer intakten Rute zeigen.

Auch die Schmerzen nach der Operation sind nicht zu unterschätzen. Immer noch glauben viele, dass Welpen in dem Alter noch keine Schmerzen verspüren. Es ist wissenschaftlich jedoch nachgewiesen, dass dies nicht der Fall ist und – ganz im Gegenteil – Welpen Schmerzen oft noch intensiver wahrnehmen. Analysen haben auch ergeben, dass durch diese Schmerzen die Welpen negativ geprägt werden. Dass jemand, der Schmerzen hat, schlechter lernt, oft mies gelaunt ist und sich weniger konzentrieren kann, wissen wir wohl alle selbst. Welche Chance haben denn dann Hundekinder, die unter Schmerzen in ihrer neuen Familie klarkommen müssen?

Bitte nicht pauschal verurteilen

Nur weil jemand einen kupierten Hund bei sich hat, heißt das nicht, dass er automatisch ein seelenloser Tierquäler ist. Also bitte reagier nicht gleich anklagend oder abwertend, sondern höre dir die Geschichte an. Immer mehr Hunde werden aus schlechter Haltung oder dem Ausland adoptiert und finden hier bei liebevollen Menschen ein neues Zuhause. Und auch wenn der Mensch vielleicht das dazugehörige Klischee erfüllt, weil er tätowiert ist oder „hart“ aussieht, sagt das noch lange nichts. Denn die „harten Kerle“ haben häufig einen überraschend weichen Kern.

Es gibt aber auch Hunde, die z.B. mit einer verkürzten oder verstümmelten Rute geboren wurden. Diese Erkrankung nennt man in der Fachsprache Brachyrie und kommt z.B. oft bei Englischen Bulldoggen vor.

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