Hundeblogger zu sein hat viele Vorteile, aber auch ein paar Nachteile. So eilt mir mein Ruf als Hundetrainer oft schon voraus, obwohl ich gar keiner bin. Und das führt dazu, dass ich hin und wieder mit einer Art Mensch in Kontakt komme, die Hunde aufgrund ihres Aussehens auswählen, statt auf die inneren Werte zu achten. Drei Geschichten dazu möchte ich dir heute erzählen.
„Das ist die mit dem Hundeblog, die kennt sich aus!“ So werde ich hin und wieder vorgestellt. Was dann oft folgt, schockt mich immer und lässt mich ernsthaft an der Intelligenz mancher Menschen zweifeln.
Ein Jagdhund für Senioren?
Es ist jetzt schon gut ein Jahr her, dass ich bei einer Familienfeier mit der Frage konfrontiert wurde, ob ich helfen kann, einen Irish Terrier für eine nicht mehr ganz so rüstige Seniorin zu finden. Rassetechnisch hatte sie sich bereits festgelegt, weil ihr das Aussehen und die Eleganz der Rasse zusagten. Über den Satz „Der steht mir gut.“ bin ich bis heute nicht hinweg gekommen.
Während sich die Dame mit ihren über 80 Jahren kaum 15 Minuten neben mir auf den Beinen halten konnte, bekam ich also folgende Anforderungen an das Tier: Irish Terrier in rot/braun, Hündin oder Rüde ist egal, 3-4 Jahre alt und „der kann ruhig gebraucht sein“.
Es folgte ein Monolog, der sich zum Großteil direkt vor meinem Gesicht abspielte. Individualdistanz war für die Dame offensichtlich ein Fremdwort und so schweiften meine Gedanken ab, während sie noch in ihren hektischen Ausführungen und Idealvorstellungen im Zusammenhang mit einem Vertreter dieser Rasse war.
Ich bin kein wandelndes Hundelexikon, daher musste ich selbst erst nachschauen, wozu der Irish Terrier ursprünglich eigentlich gezüchtet wurde und was seinen Charakter ausmacht. Dieser stand zwar hier nicht zur Debatte, aber ich kann halt nicht aus meiner Haut. Und wenn man mich fragt, ob ich helfen kann, dann soll das ja generell auch in eine zielführende Richtung weisen.
Dass ein Jagdhund im besten Alter von 3-4 Jahren nichts für eine adrett gekleidete 80-Jährige ist, die am liebsten mit dem Tier in der Innenstadt flaniert (man muss ja gesehen werden), erklärt sich eigentlich von selbst. Inwiefern ein Hund, der in Rassebschreibungen als intelligent, lebendig und mit einem gewissen Beschützerinstinkt beschrieben wird, sich für Senioren eignet, lasse ich mal dahin gestellt. Das kommt sicherlich auf den jeweiligen Senioren an, aber hier war eindeutig schon langsam das Ende in Sicht. Die Frage, was mit dem jungen Hund passieren sollte, wenn sie mal nicht mehr ist, habe ich schon gar nicht mehr gestellt.
Natürlich habe ich mich nach wenigen Minuten galant der Gesprächspartnerin entzogen, denn mir war klar: Ich möchte nicht dafür verantwortlich sein, einen Hund in solche Lebensumstände zu bringen, wie ich sie mir bereits lebhaft ausmalen konnte. Wenn ich schon nach 15 Minuten mit dieser Frau leicht verstört das Weite suchte, wie würde es dann einem Hund gehen, der permanent diese Kreischstimme und die absolute Ignoranz in Bezug auf seine Bedürfnisse ertragen sollte. Dafür möchte ich nicht verantwortlich sein.
Silbergrau muss er sein, am besten zwei davon!
Ich weiß, dass Püppi aufgrund ihrer Fellfarbe oft die Herzen der Menschen im Sturm erobert und sie am liebsten jeder gleich antatschen möchte. Was sie selbst davon hält, wird von dem jeweiligen Gegenüber meist nicht in die Rechnung einbezogen, gesetz dem Fall, dass es überhaupt eine Rechnung gibt. Als Cane Corso hat sie es bekanntlich nicht so mit fremden Menschen. Und da hilft es auch nicht, wenn sie von „Hundekennern“ als silberner Labrador klassifiziert wird.
Und genau um einen silbernen Labrador geht es in dieser kleinen Geschichte. Wir waren eingeladen zu einer kleinen Feier und da war diese junge Frau, die im echten Leben Modedesignerin ist und ein hippes Klamottenlabel hat. Sie besaß eine junge silbergraue Labrador-Hündin, mit der sie einige Probleme hatte. Diese beschrieb sie mir auch alle, aber egal, welchen Trainingsansatz ich hervor brachte, für sie war die Lösung, sich einen zweiten Hund anzuschaffen. Offenbar inspiriert von meinem Lieblingsrudel, denn sie hatte sich bereits vorab informiert.
Nun ist es ja so, dass dem silbergrauen Labrador ein gewisser Ruf anhaftet. Das ist gewiss nicht bei allen Vertretern dieser Farbgebung so, aber allgemein kann man schon sagen, dass durch diese merkwürdige Zuchtauswahl bei dem einen oder anderen Hund wohl im Gehirn was falsch gepolt ist. Inwiefern es gesund ist, besondere Färbungen bei Hunden zu züchten, sei mal dahin gestellt. Ob es Sinn macht, sich einen zweiten Hund zu holen, wenn man mit dem ersten schon nicht klar kommt, habe ich in diesem Artikel beantwortet.
Ich konnte den Erwartungen meines Gegenüber dann doch nicht gerecht werden, denn ich beharrte darauf, dass man leider genug Zeit haben muss, wenn man sich zwei Hunde anschafft. Man kann nicht automatisch erwarten, dass alles so harmonisch und liebevoll abläuft, wie in meinem Lieblingsrudel. Hier ist dem Ganzen jede Menge Arbeit voraus gegangen: Von der Auswahl des richtigen Zweithundes für Murdoch, über das erste, zweite und dritte Kennenlernen, bis hin zur äußerst intensiven Eingewöhnungszeit, als das Püppchen bei uns eingezogen ist.
Ein Hunderudel muss gemanaged werden! Natürlich erziehen die sich auch gegenseitig, allerdings ist hier die Frage, ob das in die gewünschte Richtung geht, wenn es komplett ohne den Einfluss von Herrchen oder Frauchen geschieht. Nur in den wenigsten Fällen dürfte das der Fall sein.
Mit kupierten Ohren sieht der einfach besser aus!
Auf die Geschichte mit den kupierten Ohren und der Rute möchte ich hier gar nicht weiter eingehen, weil solche Diskussionen oft sehr emotional geführt werden. Für besagten Hund ist es auch bereits zu spät, denn beides ist schon abgeschnitten.
Mir stellt sich immer die Frage, wie jemand, der spezifisch einen Hundewelpen aus dem Ausland kauft, damit dieser kupiert nach Deutschland importiert werden kann, überhaupt von „Liebe zum Hund“ reden kann. In den meisten Fällen handelt es sich beim Kupieren einfach nur um Tierquälerei zu Gunsten eines hirnverbrannten Rassestandards. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, z.B. bei jagdlich eingesetzten Hunden oder Tieren aus dem Tierschutz, die bereits mit amputierten Körperteilen beim neuen Besitzer ankommen. Man darf also nicht gleich jeden pauschal verurteilen, wenn der Hund kupierte Ohren oder eine kupierte Rute hat.
Gerade Rassen, wie z.B. der Dobermann oder Staffordshire Terrier, die bereits durch ihren Körperbau sehr beeindruckend sind, werden oft kupiert, um sie noch aggressiver und böser erscheinen zu lassen. Was das über den Charakter des Besitzers aussagt, kann ich hier sicherlich unkommentiert lassen. Wer solch einen Hund hält, um bei Mitmenschen einen gewissen Eindruck zu hinterlassen, hat schon genug Probleme mit sich selbst. Da muss ich hier nicht auch noch in die Kerbe hauen.
Statt Aussehen vielleicht lieber auf den Charakter achten?
Statt Hunde nach modischen Gesichtspunkten auszuwählen, macht es Sinn, sich den Charakter der jeweiligen Rasse anzuschauen. Immerhin ist es das Wesen des Hundes, das uns sein ganzes Leben lang begleitet und auch irgendwie zum eigenen Lebensstil, den Verhältnissen und nicht zuletzt auch zu den persönlichen Fähigkeiten als Hundehalter passen muss.
So sind viele Hunde, trotz kupierter Ohren und vermeintlich gefährlichem Aussehen, einfach nur liebevolle Geschöpfe, die keiner Fliege was zuleide tun können. Sie entsprechen also nur selten dem Wunschbild, welches ihre Besitzer vermitteln wollen.
Und der silbergraue Labrador oder der Irish Terrier, der in der Wunschvorstellung noch so elegant neben einem durch die Innenstadt stolzierte, entwickelt sich in Wirklichkeit vielleicht schnell zu einem Leinenrambo, der kaum noch zu halten ist und alles schreddern möchte, was sich in seinem Sichtfeld bewegt. Einfach nur, weil er nicht rassespezifisch gefördert und ausgelastet wird. Schade drum!