Heute wollen wir euch zwei ganz besondere Mitglieder des Lieblingsrudels vorstellen: Anna Pussert ist mit ihrer Hündin Mikira bei der Rettungshundestaffel des DRK Korbach-Bad Arolsen e.V. und gemeinsam suchen sie vermisste Menschen. Anna war so nett, uns etwas mehr von ihrer Arbeit und dem Training zu erzählen.

Letzten Montag (09.01.2017) um 23.30 Uhr geht das Telefon! Ein Mann wird vermisst. Unser erster Einsatz als Team! Schnell stehe ich auf, von Müdigkeit keine Anzeichen mehr. Ich ziehe meine Einsatzkleidung an und packe das Nötigste zusammen. Mikira, meine Hündin, beobachtet mich interessiert von ihrer Decke aus. Als sie das Klicken ihrer Futterdose hört, springt sie auf. Sie weiß, was jetzt kommt.

Wir beide steigen ins Auto und fahren ca. eine Stunde, bis wir am Einsatzort sind. Dort treffe ich andere Kollegen meiner Hundestaffel. Sie haben bereits Informationen zum Einsatz erhalten und weisen mich ein. Gemeinsam fahren wir in den uns zugeteilten Wald und beginnen zusammen die Suche nach der vermissten Person. Hierfür ziehe ich Mikira ihre Kenndecke an. Das ist ihre Einsatzkleidung, damit sie nicht mit wildernden Hunden verwechselt wird und als Rettungshund gut sichtbar ist. An ihrer Kenndecke befindet sich in der Nacht zusätzlich ein Licht und ein paar Glöckchen, damit ich höre wo sie sich befindet, wenn sie außer Sicht läuft. Und seit dem 12. Dezember 2016 hängt dort auch ein GPS Tracker. (Vielen Dank nochmal, liebes Lieblingsrudel! Er hat schon gute Dienste geleistet.)

Meine KameradInnen und ich lassen unsere Hunde abwechselnd das Waldstück absuchen um ihre Kräfte zu schonen, denn die Suche ist sehr anstrengend für den Hund. Unsere Hunde sind Flächensuchhunde. Sie befinden sich nicht an der Leine, sondern frei und suchen nach jedem menschlichen Geruch, den sie im Wald erschnüffeln können. Finden sie etwas, überprüfen sie, ob die Person hilfebedürftig ist. Hilfebedürftige Personen sind für meinen Hund Menschen, die sitzen oder liegen. Spaziergänger werden ignoriert. Mikira würde mich anspringen, wenn sie jemanden finden würde. Anschließend würde sie zwischen mir und der gesuchten Person pendeln um mich zu dieser zu führen. Unsere Hunde geben ihr Bestes, doch nicht jeder Einsatz ist von Erfolg gekrönt – so wie dieses Mal. Ein Happy End gibt es erst einen Tag später. Die vermisste Person wurde an einer anderen Stelle von einem Spaziergänger gefunden.

Die Arbeit eines Flächensuchhundes

Mikira ist ein geprüfter Rettungshund in der Flächensuche, so wie viele andere Hunde auch, die in dieser oder anderen Nächten im Einsatz sind. Sie können auf diese Weise Leben retten!

Man unterscheidet zwischen dem Mantrailing und der Flächen-, Trümmer- und Lawinensuche. Beim Mantrailing befindet sich der Hund an der Leine und man benötigt einen Gegenstand/Geruchsträger des Vermissten. Wichtig ist, dass der Geruchsträger von niemandem verfälscht ist, indem er von Fremdpersonen angefasst wird. Er enthält einen Individualgeruch, bestehend aus einer großen Anzahl von Geruchsmolekülen wie Hautschuppen und Schweiß. Vereinfacht ausgedrückt, sind Menschen für den Hund von lesbaren Duftwolken umgeben. Auf diesen Geruchscocktail wird der Hund konditioniert, indem er den Geruch des Vermissten, meist in einer Tüte, präsentiert bekommt. Der Hund merkt sich diesen Geruch und folgt der Spur des Menschen. Dabei sind Hunde in der Lage, den individuellen Geruch einer Person auch nach mehreren Stunden und sogar Tagen aufzuspüren und zu verfolgen.

Es ist oft sehr schwierig, einen geeigneten Geruchsträger für den Hund zu finden, da Familienmitglieder oder Pflegepersonal die Gegenstände zuvor in der Hand hatten und so der Geruch nicht mehr nur einer einzigen Person zuzuordnen ist. Die drei anderen Ausbildungsrichtungen benötigen diesen Geruchsträger nicht. Sie suchen sozusagen nicht Egon oder Peter, sondern jeden Menschen, der sich in ihrem Suchgebiet befindet. Dabei sind die Hunde nicht an der Leine, sondern bewegen sich frei im Gelände und werden durch ihre Kenndecke deutlich gemacht.

Der Werdegang als Rettungshundeteam

Angefangen hat alles, als ich 13 Jahre alt war. Bei einer Übung des Bayrischen Roten Kreuzes war ich als eine solche vermisste Person von einem Schäferhundmischling namens „Levo“ gefunden worden. Seitdem war ich von der Arbeit dieser Hunde so fasziniert, dass ich mir schwor: „Wenn ich groß bin, will ich das auch machen!“ Jetzt führe ich einen geprüften Rettungshund und bin stolz darauf, was wir zusammen erreicht haben.

Mikira ist jetzt 6 Jahre alt. Angefangen mit der Rettungshundarbeit haben wir allerdings als sie 6 Monate alt war. Ich wollte damals unbedingt einen Australian Shepherd und nahm Kontakt zu einem Züchter auf. Der hatte noch eine Hündin aus dem letzten Wurf übrig. Sie war 4 Monate alt. Ich nahm sie. Und so kam Mikira zu mir. Nach einer Eingewöhnungsphase meldete ich mich bei der Rettungshundestaffel bei uns in der Nähe. Das Training konnte beginnen.

Tipp!
Im Nachhinein würde ich zuerst mit der Rettungshundestaffel Kontakt aufnehmen, da Teamplätze begrenzt sind und die Ausbilder auch bei der Auswahl des Hundes helfen können. An die Rettungshunde werden physisch und psychisch hohe Anforderungen gestellt. Grundsätzlich eignet sich jeder Hund, unabhängig von Größe und Rasse als Rettungshund. Wichtig ist unter anderem, dass der Hund wesenfest und mit anderen Hunden verträglich ist, dass er Freude an der Arbeit, eine gute Auffassungsgabe und eine natürliche Begabung für die Nasenarbeit hat.

Zuerst mussten wir die sogenannte Opferbindung aufbauen. Mikira sollte fremde Menschen überaus toll finden und mich sozusagen erst einmal als Nebensache sehen. Dafür wurde sie von einzelnen Leuten aus unserer Rettungshundestaffel in ihrer Trainingssequenz, zuerst an der Leine, später ohne, mitgenommen und mit extra tollem Futter dafür belohnt. Das heißt füttern, füttern, füttern. Mit Spielzeug haben wir das auch versucht, aber Futter war einfach das Schönste für Miki. Derjenige, der sie mitnahmen musste von Anfang an darauf achten, dass er sich hockte, setzte oder hinlegte, damit Mikira verknüpfte, dass nur solche Leute von Bedeutung sind. Für mich war das am Anfang richtig schwer. Nun hatte ich endlich einen Hund und sollte aber der „Spielverderber“ sein, der sie abholte und das Spiel beendete. Um diese Opferbindung wirklich zu festigen, haben wir dies die ersten 6 Monaten unserer Ausbildung gemacht.

Als nächstes durfte Mikira zuschauen, wie jemand sich mit ihrer Futterdose entfernt und sich versteckt. Um wieder an ihr geliebtes Futter zu gelangen, fing sie an zu suchen. Erst waren es nur sehr kurze Distanzen und leichte Verstecke, später entfernten sich die Personen immer weiter und es wurde schwerer. Wenn es mal zu schwierig wurde, half ich natürlich auch ein wenig. Sie sollte ja schließlich Spaß an der Arbeit haben und nicht frustriert werden. Deshalb war es am Anfang auch wichtig zu wissen, wo die Leute sich befinden. Neben dem normalen Training, das einmal in der Woche auf dem Hundeplatz statt fand und einmal im Wald, übte ich unterdessen zu Hause sämtliche Grundkommandos: Fuß, Sitz, Platz, Steh… Das ist wichtig, da das Hundeteam in seiner Prüfung eine Unterordnung durchlaufen muss. Außerdem standen für mich einige Fortbildungen, wie z.B. Unfallverhütung und Sicherheit im Einsatz, Erste Hilfe am Hund, Einsatztaktik in der Flächensuche, Orientierungs- und Kartenarbeit uvm. an. Meine Sanitätsausbildung hatte ich schon viele Jahre zuvor gemacht, da ich früher bereits beim Roten Kreuz tätig war.

Ich merkte also sehr schnell, dass die Ausbildung und Arbeit mit einem Rettungshund sehr zeitintensiv ist. Zwei bis drei Mal in der Woche Training inklusive Fortbildungen waren normal. Mikira hatte auf jeden Fall Spaß bei der Arbeit. Schließlich wurde das Bellen, dass ich ihr zu Hause auf Kommando beibrachte, in die Suche integriert. Miki musste nach dem Auffinden der Versteckperson zuerst noch bellen, um an ihre Bestätigung (ihr Futter) zu gelangen. Die Suche wurde im Laufe der Zeit von ein paar Metern, auf ein großes Waldgebiet ausgeweitet. Die Größe kann sehr unterschiedlich sein, da man im Einsatz auch nicht weiß, wie groß das zugeteilte Waldgebiet ist. In der Prüfung, die wir beim DRK absolviert haben, muss die Suchfläche ca. 33.000 m², bei einer Mindestbreite von 100m, haben. Die durchschnittliche Ausbildungszeit eines Rettungshundes beträgt bis dahin 2-3 Jahre. Im Grunde hatten wir nun alles, um richtig durchzustarten.

Eignungstest für Rettungshunde

Bevor es allerdings in die Prüfung geht, muss ein angehender Rettungshund einen Rettungshundeeignungstest bestehen. Das wird in der Regel innerhalb des ersten Ausbildungsjahres gemacht. Worum geht es bei dem Eignungstest?

Hier wird grundsätzlich „geprüft“, ob ein Hund als Rettungshund geeignet ist. Ohne bestandene Prüfung kann ein Hund nicht zum Rettungshund ausgebildet werden. In verschiedenen Übungen wir von den Prüfern darauf geachtet, ob der Hund eine gewisse Wesensfestigkeit mitbringt, ob er ängstlich oder gar aggressiv ist. Ein weiteres Kriterium ist die Bindung des Hundes zu seinem Herrchen bzw. Frauchen. Arbeiten die beiden als Team zusammen oder ist der Hund ein „Einzelkämpfer“ und interessiert sich für alles, nur nicht seinen „direkten Vorgesetzten“!?

Jetzt fragst du dich sicherlich, wieso wir so lange gebraucht haben. Das kommt zum einen daher, dass wir aus beruflichen Gründen ein Jahr pausiert haben, ein Umzug von Coburg nach Kassel dazwischen kam und ich schließlich begreifen musste, dass ich Miki keinen Gefallen damit tat, sie alleine bei der Versteckperson bellen zu lassen. Ich war zu Beginn so enthusiastisch und mit mir selbst beschäftigt, dass ich ganz vergaß, wer eigentlich die Arbeit machte! Miki hatte nach unserem Umzug zunehmens Schwierigkeiten, bei der Versteckperson zu bleiben und kam immer wieder zu mir zurück. Wir versuchten wirklich viel, aber es half nichts! Ich machte leider die neue Staffel dafür verantwortlich. Aber der Fehler lag bei mir! Nach dem Wechsel in eine weitere Rettungshundestaffel und einem Gespräch mit den Staffelmitgliedern und Ausbildern begann unsere Ausbildung praktisch von Neuem. Grund für Mikis Weggehen war ihre Unsicherheit bei Nacht und sie suchte bei mir Sicherheit. Dieses Problem zeigte sich irgendwann auch im Training tagsüber. Ich musste lernen, dass Miki das Ganze für mich gemacht hatte und nicht, weil sie es selbst wollte. Ich habe viel darüber nachgedacht. Ich glaube, es war falscher Ehrgeiz. Man sollte seinen Hund nicht in etwas hinein drücken, nur weil man es selbst unbedingt möchte. Wenn es darauf ankommt, funktioniert es einfach nicht. Man ist ja schließlich ein Team!

Ich lernte sehr schnell, mehr auf Mikis Bedürfnisse einzugehen und gemeinsam stellten wir sie von einem Verbeller zu einem Rückverweiser um. Hierbei findet der Hund die vermisste Person, kehrt aber anschließend selbständig zum Hundeführer zurück und zeigt bei diesem durch Bellen, Anspringen oder Vorsitzen an, dass er jemanden gefunden hat. Anschließend läuft er entweder zwischen dem Vermissten und dem Hundeführer hin und her, bis dieser bei der vermissten Person ankommt oder der Hund wird angeleint und führt seinen Hundeführer so zum Vermissten.

Mikira ist seit der Umstallung richtig aufgeblüht. Unser Team ist regelrecht zusammengeschweißt worden. Ich mache ihr keinen Druck mehr. Vor unserer Prüfung im Herbst hatte ich schon für uns beide beschlossen „Wenn es nicht klappt, lassen wir es! Ich zwinge sie zu nichts mehr!“ Nachdem wir im Januar 2016 die Umstellung vorgenommen haben, sind wir im Oktober 2016 schließlich zur Prüfung angetreten und haben diese sofort bestenden! Nun sind wir ein geprüftes Rettungshundeteam und 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag abrufbar um Leben retten zu können.

Die Ausbildung in der Rettungshundestaffel war richtig harte Arbeit und ein verdammt langer Weg für uns, aber es hat sich definitiv gelohnt. Es standen uns so viele Hürden im Weg und doch haben wir sie gemeinsam, eine nach der anderen, genommen. Ich habe durch Miki gelernt was es heißt, durchzuhalten und sein Ziel niemals aus den Augen zu verlieren, aber auch nicht um jeden Preis durchzusetzen. Ich habe gelernt was es heißt, ein Team zu sein und sich gegenseitig zu vertrauen und ich habe gelernt, meinem Hund eine artgerechte Beschäftigung zu bieten, die anderen Menschen vielleicht einmal das Leben rettet.

Wir sind definitiv ein richtig tolles Team und das nicht nur bei der Suche!

Herzlichen Dank an Anna, dass sie uns ein bißchen mehr von ihrer ehrenamtlichen Arbeit erzählt hat. Wir freuen uns, dass der GPS Tracker bei euch in so guten und nützlichen Händen ist und sind sehr stolz auf euer Engagement.