Von den ersten 48 Stunden mit unserem Gasthund Oscar habe ich ja neulich schon im Blog berichtet. Heute möchte ich dir erzählen, wie es weiter gegangen ist. Denn nach ein paar Tagen zeigt sich der wahre Charakter eines Hundes, also wird es jetzt erst richtig spannend.
Dobermann Oscar scheint sich schnell bei uns eingelebt zu haben, denn bereits am dritten Tag habe ich das Gefühl, dass er unsere Regeln und die Rudelstruktur in Frage zu stellen beginnt. Allerdings merkt man auch, dass er eigentlich mit der Führungsposition, die er anzustreben versucht, ziemlich überfordert wäre. Nun muss ich sagen, dass ich persönlich den Eindruck habe, er möchte gern das Zepter der Macht an sich reißen. Das muss nicht heißen, dass es tatsächlich so war, denn es ist schwierig ihn zu interpretieren. Außerdem bin ich müde und leicht genervt. Von daher kann es durchaus sein, dass meine Wahrnehmung etwas getrübt ist. Aufgrund seiner Größe muss ich mir auch immer wieder in Erinnerung rufen, dass er eigentlich noch ein sehr junger Hund ist. Zwar kein Welpe mehr, aber eben Junghund mit Hang zum Pubertieren.
Um einen objektiven Blick zu bekommen, wäre es sicher gut gewesen, verschiedene Situationen zu filmen und sich diese hinterher genau anzuschauen. Allerdings wollte ich ehrlich gesagt meine Aufmerksamkeit auf den Hunden lassen und nicht dauernd mit meinem Handy rumfummeln. Zum Glück habe ich das Lieblingsherrchen, das mir objektives Feedback geben kann.
Ich weiß nicht, inwiefern man nach drei Tagen mit einem neuen Hund schon von Alltag sprechen kann. Nichts ist alltäglich, wenn das Rudel aufgewirbelt ist und alle mit einer Art Sturmfrisur durch die Gegend rennen. Trotzdem merke ich, dass Oscar sich langsam an unsere Abläufe gewöhnt. Nach der Morgenrunde verzieht er sich auf seine Decke in meinem Büro und bis auf eine kurze Wachphase (als die Postbotin kommt) schlafen alle Hunde bis zur Mittagsrunde durch. In dieser Zeit arbeite ich normalerweise, aber weil ich so viele Ideen und Eindrücke im Kopf habe, geht es etwas langsamer voran und ich lasse mich oft ablenken.
Das Laufen an der Leine ist weiterhin eine Herausforderung für alle Beteiligten. Murdoch und Freya müssen geduldig sein, denn wir kommen nicht so schnell am Ziel an, wie normalerweise. Die 5 Minuten Fußweg zum Waldrand dauern dreimal so lang, weil ich mich bei Oscar immer wieder durchsetzen muss. Er hat jede Menge Kraft und ist draußen sehr aufgeregt. Außerdem will er immer vorne laufen bzw. fordert Murdoch und Freya auch an der Leine zum Spielen auf, was die beiden nicht so prickelnd finden. Um das in den Griff zu bekommen, würde ich sicherlich ein paar Wochen brauchen.
Die halbe Straße bekommt meine Diskussionen mit Oscar mit, denn der beschwert sich lautstark über die Einschränkungen, springt immer wieder um mich rum oder an mir hoch. Ich bleibe relativ unbeeindruckt und ziehe weiter mein Ding durch. Bis auf ein paar Ansagen, die ich mir einfach nicht verkneifen kann. Die funktionieren dann allerdings auch, zumindest für ein paar Meter. Dann regt er sich wieder auf, will zu den anderen aufschließen und es geht ihm einfach nicht schnell genug.
Kaum sind wir am Waldrand angekommen, dürfen Murdoch und Freya frei laufen. Oscar muss sich noch ein paar Meter gedulden, denn erst wenn er sich ordentlich benimmt, wird er mit Freiheit belohnt. Das Timing ist hier sehr wichtig, denn die Zeiten, in denen er gut neben mir läuft sind sehr kurz. Wenn man also gewünschtes Verhalten belohnen möchte, muss man genau den richtigen Zeitpunkt erwischen. Ein Problem ist außerdem, dass er sich bereits ca. 15 Minuten lang konzentrieren musste, bis wir am Wald angekommen sind. Ganz schön lange für so einen jungen Hund. Aber es klappt und so kann er fröhlich davon stürmen. Der Rückruf klappt allerdings hervorragend, was sicher auch an Murdoch und Freya liegt, denen er alles nach macht.
Ab Tag drei fällt besonders auf, dass er frecher gegenüber Püppi wird. Die sagt ihm auf sehr nette und charmante Art zwar, dass sie keine Lust auf Raufen mit ihm hat, aber so richtig scheint er das nicht zu akzeptieren. Wir überlassen Murdoch eine Zeitlang die Maßregelungen, der ist sowieso schneller. Wenn es Püppi zu viel wird, läuft sie neben oder hinter uns und wir blocken Oscars „Angriffe“ ab, indem wir uns vor Püppi stellen. Nach ein paar Metern hat er es kapiert und geht lieber gucken, was Murdoch da anschnüffelt. Im Nachhinein muss ich allerdings auch anmerken, dass Püppi zwei Tage später und früher als erwartet heiß geworden ist. Vielleicht haben die Hormone auch ein wenig zu den Belagerungen beigetragen.
Ich muss sagen, im Haus klappt es relativ gut, da Oscar dort ruhiger und nicht ganz so nervös ist. Natürlich herrscht trotzdem noch Chaos, weil er mir jeden Schritt hinterher rennt, was Murdoch nicht so prickelnd findet. Das ist normalerweise sein Job, wobei er auch mal irgendwo alleine liegen bleibt, wenn ich ihm sage, dass er hier warten kann. Bei Oscar funktioniert das leider überhaupt nicht. Sobald man 3 Minuten den Raum verlässt fängt er an zu heulen. Es ist ein bißchen besser, wenn die anderen Hunde dabei sind.
Noch dazu hängt er mit seiner langen Nase immer ultra neugierig dazwischen und hat seinen Körper noch nicht so gut unter Kontrolle. Daher rempelt er einen auch gern mal an, was ein bißchen nervt. Ich erbitte mir daher ein wenig mehr Respektabstand. Außerdem muss er immer vorlaufen und sich überall als Erster durchquetschen. Keine Ahnung, was passiert, aber erst mal als Erster da sein. Bißchen chaotisch, wie er von einer Ecke zur nächsten rennt. Aber ich nehme an, das würde sich nach ein paar weiteren Tagen auch noch ändern. Dann sind meine Handlungen für ihn etwas besser nachzuvollziehen und er muss keine Angst mehr haben, allein gelassen zu werden.
Das mit dem Alleinsein finde ich übrigens ein sehr wichtiges Thema und es ist gut, wenn du das mit deinem Hund so früh wie möglich übst. Sonst hast du hinterher etwas wie Freya, die mit einem Jahr bei uns eingezogen ist und es noch nicht mal ertragen konnte, wenn ich auf die Toilette gegangen bin. Es macht Sinn, deinen Hund von Anfang an mal kurz allein im Zimmer zu lassen, z.B. während du etwas holst. Lass ihn nur ganz kurze Momente alleine und komm dann wieder als wäre nichts gewesen. Wenn du ihm das Kommando „Bleib“ gegeben hast, solltest du ihn belohnen, wenn er es getan hat und dann weitermachen, womit du vorher aufgehört hast. Weitere Tipps zum Thema Trennungsangst bei Hunden findest du hier.
Ich konnte in der Zeit viele spannende Situationen und tolle Beispiele an hündischer Kommunikation und Hundesprache miterleben. Es gab einige Momente, in denen mir aufgefallen ist, wie sehr meine Hunde in so einem Fall mit mir zusammen arbeiten. Gern kann ich mal ein paar Beispiele in einem separaten Artikel schreiben, wenn es dich interessiert. Lass es mich einfach in den Kommentaren wissen. Ich würde mich freuen, wenn ich dir davon erzählen kann.
Im Großen und Ganzen muss ich sagen, dass ich den Eindruck hatte, meine Hunde würden sich plötzlich „erwachsener“ verhalten. Ich hab mich sogar mehrfach selbst dabei erwischt, dass ich Freya zugetextet habe: „Wie kommt es eigentlich, dass DU plötzlich der liebste und besterzogenste Hund in diesem Haushalt bist?“ Murdochs Fähigkeiten als rechte Hand des Frauchens habe ich ja schon mal erlebt, als Freya damals bei uns einzog. Da hat er ja auch super geholfen. Aber dazu wie gesagt gern mehr, wenn Interesse besteht.
Ich bin sehr dankbar für diese Erfahrung. Ich habe nicht nur eine Menge über mich und meine Hunde gelernt, sondern auch noch einmal hautnah miterlebt, was es heißt, ein neues Rudelmitglied zu integrieren. Und wenn du meine Bucket List für 2019 gelesen hast, dann weißt du ja, dass wir in der Richtung eine Erweiterung des Lieblingsrudels planen. 😉
Ich hab nicht wirklich drüber nachgedacht, sondern einfach zugesagt, weil Not am Mann war. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich habe Oscar ein bißchen unterschätzt. In meinem Kopf änderte sich an meinem geplanten Tagesablauf nicht viel, aber die Realität sah ganz anders aus. Ich bin eigentlich zu nichts gekommen, obwohl ich jede Menge geplant hatte. Zum Glück bin ich selbständig und kann auch Abends arbeiten, wenn die Hunde ausgetobt sind, aber Sinn der Sache ist das ja nicht. Wenn ich einen Vollzeitjob gehabt hätte, hätte ich mir für die Zeit definitiv Urlaub nehmen müssen. Und das gilt allgemein, wenn man sich einen weiteren Hund ins Haus holt. Man ist eigentlich 24 Stunden lang mit den Hunden beschäftigt. Das hatte ich diesmal irgendwie nicht auf dem Schirm und komplett unterschätzt.
Nun ist Oscar wieder glücklich mit seinem Frauchen vereint und wir können wieder durchatmen. Wir haben es super hinbekommen, aber es war auch anstrengend für alle Beteiligten. Besonders stolz bin ich auf meine beiden Hunde, die Oscar so gut es geht in ihrer Mitte aufgenommen und ihm ein paar schöne Urlaubstage beim Lieblingsrudel gegönnt haben. Das Lieblingsherrchen und ich waren auch super Hundeflüsterer und haben jede Menge Geduld und Einfühlungsvermögen an den Tag gelegt.
Irgendwie habe ich das Gefühl, die Erfahrung hat uns alle als Rudel ein Stück mehr zusammengeschweißt. Die Hunde haben Seiten an uns gesehen, die sie sehr beeindruckt haben. Zumindest interpretiere ich ihre Blicke und ihr Verhalten nach den jeweiligen Situationen so. Uns Menschen ist noch einmal verdeutlicht worden, wie happy wir mit unserem kleinen Lieblingsrudel sind, wo alles eingespielt läuft und wir uns auch ohne große Worte verstehen.
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