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Gastbeitrag: Kastration – Ja oder Nein?

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„Kastrierte Rüden sind einfacher zu erziehen“, sagen sie. „Schütze deine Hündin vor Gebärmutterkrebs und lass sie kastrieren“, sagen sie. Was ist dran an den Mythen rund um die Kastration? Hundetrainer Alexander Schillack von Care – Die Hundeschule hat uns ein paar Fragen dazu in einem Gastbeitrag beantwortet.

Noch immer herrscht bei vielen Hundehaltern Unsicherheit darüber, ob sie ihren Hund kastrieren lassen sollen. Für viele Halter eines ehemaligen Tierschutzhundes stellt sich die Frage gar nicht erst, denn die Mehrzahl dieser Tiere ist bereits kastriert. Tierschutzvereine, Hundetrainer, Tierärzte. Viele Instanzen, die viele verschiedene Meinungen kundtun. Ich versuche mal, ein bißchen Licht ins Dunkle zu bringen.

Kastration - was ist das überhaupt?

Die Kastration stellt die operative Entfernung der hormonproduzierenden Geschlechtsorgane der Hunde dar. Beim Rüden ist die Kastration die Entfernung der Hoden. Beim Weibchen die Entfernung der Eierstöcke oder bei der Vollkastration sogar die zusätzliche Entfernung der Gebärmutter. Somit ist die Kastration beim Rüden ein etwas einfacherer Eingriff, denn nur beim Weibchen handeln es sich um eine Bauchhöhlenoperation.

Die erste Verwirrung tritt aber bereits hier auf. Viele Hundehalter sind überrascht, wenn ich ihnen erzähle, dass man sowohl Rüden als auch Hündin kastrieren kann. So hält sich das Gerücht hartnäckig, die Kastration ist die Operation beim Rüden und die Sterilisation ist die Operation bei der Hündin. Das ist falsch. Die Sterilisation ist das reine Unfruchtbarmachen des Hundes. Beim Rüden werden hier die Samenstränge durchtrennt, bei der Hündin die Eileiter. Die Hormonproduktion bleibt jedoch intakt.

Copyright: Care - Die Hundeschule

Wieso wird kastriert?

Die Bielefelder Kastrationsstudie von Niepel (2007) hat sich mit der Frage beschäftigt, wieso Hundehalter ihren Hund kastrieren lassen. Interessant ist, dass die Gründe für die Kastration bei Rüde und Hündin auseinandergehen. Sind beim Rüden vor allem Verhaltensgründe zu nennen, werden Hündinnen aufgrund von Tumorprophylaxe und so genannten Haltergründen – also dem nicht beschäftigen wollen mit den Folgen einer intakten Hündin (Läufigkeit) – kastriert. Wie sinnig diese Kastrationen für die genannten Probleme sind, klären wir im Folgenden.

Tierschutzvereine greifen auf die Kastration zurück, um ungewollte Vermehrung von Straßenhunden und zu vermittelnden Hunden zu vermeiden. Insbesondere, damit auch potentielle Vermehrer keinen Nutzen mehr aus solchen Hunden ziehen können.

Mit der Sinnigkeit der Kastration zur Eindämmung des Streunerproblems hat sich eine italienische Langzeitstudie (2000-2013) befasst. Hunde wurden hier eingefangen, kastriert und wieder freigelassen. Das Resultat: Die Straßenhundpopulation konnte durch diese Maßnahme nicht signifikant beeinflusst werden.

Die Folgen der Kastration

Bei der Tumorprophylaxe geht es bei der Hündin vor allem um Gesäugeleistentumore, vergleichbar mit dem Brustkrebs der Frau beim Menschen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Weibchen an einem solchen Tumor erkrankt, wenn sie kastriert, insbesondere frühkastriert ist, ist praktisch bei Null. Normalerweise liegen die Wahrscheinlichkeiten für Gesäugeleistentumore je nach Studie zwischen 1-2 %, bei Hündinnen über 8 Jahren bei ca. 10 %. Interessant ist, dass die Wahrscheinlichkeit für andere Krebsarten steigt, wenn die Hündin kastriert ist, sodass insgesamt ein negativer Effekt entsteht. Oder anders gesagt: Die Wahrscheinlichkeit für eine (früh-)kastrierte Hündin (irgendeinen) Krebs zu bekommen, ist erhöht.

Bei Rüden spielt ungewolltes Verhalten die größte Rolle, wenn es um die Gründe für eine Kastration geht. Auch mir wurde damals – von einer Tierärztin – zur Kastration geraten. Der Rüde sei leichter zu erziehen und würde ruhiger werden. Stimmt nicht! Ruhiger wird beim Rüden nur der Stoffwechsel, was dazu führt, dass an dem „kastrierte Hunde werden fett“ Mythos tatsächlich etwas dran ist. Meine Erfahrung in der Arbeit als Verhaltensberater zeigt mir, dass viele Menschen, die ihre Hunde als „dominant“ oder „aggressiv“ bezeichnen, eigentlich unsichere Hunde haben, die von der Familie nicht genug Führung erfahren. Die Aggression ist dann ein Ausdruck der Überforderung mit der Situation, als unqualifizierte Kraft die Chefposition einnehmen zu müssen. Die Kastration wird hier keine positiven Auswirkungen auf das Verhalten der – meistens an der Leine pöbelnden – Hunde haben. Im Gegenteil. Da Testosteron ein Stresshemmer ist, können wir bei unsicheren Rüden ausnahmsweise pauschalisieren und die Kastration als kontraproduktiv bezeichnen.

Man kann ganze Bücher mit diesem Thema füllen. Es gibt unzählige negative Folgen für die Hunde, wenn sie kastriert werden. Insbesondere die Frühkastration, also die Kastration vor Beendigung der körperlichen und geistigen Ausreifung, hat sowohl psychische als auch physische Auswirkungen auf den Hund. Ich möchte hier gar nicht auf die einzelnen Punkte eingehen, denn in der Kürze eines Blogbeitrages kann man dem Thema in Gänze nicht gerecht werden. Wer sich umfassend mit dem Thema auseinandersetzen will, dem empfehle ich folgende Bücher:

Gabriele Niepel „Kastration beim Hund“ (*Affiliate-Link)
Udo Gansloßer „Kastration und Verhalten“ (*Affiliate-Link)

Kastrierter Rüde mit gestresstem Gesichtsausdruck / Copyright: Care - Die Hundeschule

Rechtmäßigkeit der Kastration

Ein großer Streitpunkt ist die rechtliche Grundlage rund um das Thema Kastration. Laut Tierschutzgesetz ist die Kastration die Amputation eines Körperteils, die nur durchgeführt werden darf, wenn ein medizinischer Grund vorliegt. (Ausnahme: zur Jagd genutzte Hunde, doch hier geht es vorwiegend um das Kupieren der Ohren und der Rute, nicht um die Kastration). Viele Tierärzte sehen die Tumorprophylaxe oder vermeintlichen Stress der Hunde während der Läufigkeit (Hündin) oder die Anwesenheit von anderen intakten Rüden (Rüde) als medizinische Indikation für eine Kastration. Dr. Möbius (2009) hat in einem Papier über dieses Thema einen Aufsatz geschrieben, der lesenswert ist. Ich bin kein Jurist, für mich sollte aber immer auch der negative Einfluss mit in die Gewichtung einfließen, und der ist in vielen Fällen größer, als die positiven Effekte auf das Verhalten der Hunde. Grundsätzlich sollten wir sowieso die Möglichkeiten der Hundeerziehung ausschöpfen, bevor wir auf eine so folgenreiche und unwiderrufliche Operation zurückgreifen.

Der Kastrationschip - Chemische Kastration auf Probe

Apropos unwiderruflich. Es gibt eine Möglichkeit, die Kastration sozusagen zu proben. Mittels Hormonchips wird die Testosteronproduktion des Rüden im Hoden auf Null gesenkt und der Hund ist praktisch kastriert. Die Wirkung dauert sechs bis zwölf Monate an, ehe die Hoden ihre Arbeit wieder aufnehmen. Der Kastrationschip bietet mir die Möglichkeit, die Auswirkungen auf das Verhalten der Hunde zu testen, ohne eine endgültige Entscheidung treffen zu müssen. Der Chip sollte immer (in Ausnahme: medizinische Notfälle) der sofortigen chirurgischen Kastration vorgezogen werden.

Fazit

Wenn ich vor der Frage stehe, meinen Hund kastrieren zu lassen oder nicht, sollte ich mir die Hilfe eines qualifizierten Hundetrainers und eines Tierarztes suchen. Gerade, wenn es um das Verhalten eines Hunde sgeht, sollte die Frage nach dem Einfluss der Sexualhormone auf das ungewünschte Verhalten unbedingt festgestellt werden. Nicht selten wird man feststellen, dass ebendiese Hormone nichts mit der Ursache des Verhaltens zu tun haben. In vielen Fällen (wenn wir unsichere Rüden kastrieren), hat die Kastration sogar negative Effekte. Als letztes ein Denkanstoß: Will eine Familie keine (weiteren) Kinder bekommen, wird dem Mann dann der Samenstrang durchtrennt (Vasektomie), oder werden ihm die Hoden abgenommen (Kastration)? Na, wer kommt drauf?

Vielen Dank an Alexander von Care – Die Hundeschule, dass er sich die Zeit genommen hat, uns ein paar Fragen zu beantworten. Natürlich ist es immer eine individuelle Entscheidung, ob du deinen Hund kastrieren lässt oder nicht. Wichtig ist jedoch, dass du dich mit den Folgen für deinen Hund im Positiven, aber auch im Negativen, auseinander setzt. Nur so kannst du eine gute Entscheidung treffen, die du hinterher nicht bereust.

Franziska

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