Wenn du einen Hund aus dem Tierschutz hast, ist dir klar, dass dieser ein Leben hatte, bevor du zur Tür hereinmarschiert kamst und ihn adoptiert hast. Aber an wie viel aus dieser Zeit können sich Hunde eigentlich noch erinnern, auch wenn sie schon eine lange Zeit bei dir sind?

Würde dein Second Hand Hund seinen alten Besitzer oder die Gegend wiedererkennen, in der er vorher gelebt hat? Kann er sich an bestimmte Situationen oder Geschehnisse erinnern, egal ob sie gut oder schlecht waren? Bei einigen Hunden wäre es vielleicht gut, eine schmerzvolle Vergangenheit vergessen zu können, aber ist das überhaupt möglich? Deshalb haben wir uns mal etwas genauer angeschaut, wie das Gedächtnis eines Hundes funktioniert und auch, was Wissenschaftler sagen. Wie viel kann ein Hund von seiner Vergangenheit erinnern?

Was ist Gedächtnis beim Hund?

Die Frage, ob sich Hunde an ihre Vergangenheit erinnern können, hängt mit der Stärke ihres Gedächtnisses zusammen. Wir wissen alle, dass Hunde sehr wohl über ein ordentliches Gedächtnis verfügen, sonst könnten sie auch nicht wissen, was „Sitz“ bedeutet oder wenn du die Leine holst.

Der Akt des Erinnerns ist jedoch um einiges komplizierter, als wir zunächst denken. Es gibt verschiedene Aspekte von Gedächtnis und die Art, wie Hunde sich an etwas erinnern, ist immer noch nicht klar.

Das semantische Gedächtnis

Das semantische Gedächtnis ist eine Art Langzeitgedächtnis, dass mehr auf Wissen als auf Erfahrungen beruht. Menschen nutzen semantisches Gedächtnis, wenn sie z.B. für Tests lernen. Bei Babies kommt es schier endlos zum Einsatz, wenn sie beginnen, sich alles zu merken – von Gesichtern, bis hin zu Farben und ihre Lieblingsspielzeuge. Im semantischen Teil unseres Gehirns wird sozusagen das Allgemeinwissen gespeichert, dass wir im Alltag benötigen.

Wenn du deinem Hund z.B. den Trick „Rolle“ beibringen willst, wird der Hund mit Hilfe des semantischen Gedächtnisses dein Signalwort „Rolle“ mit der Aktion verbinden, die du von ihm sehen möchtest. Sobald der Trick sitzt, reicht es, wenn du die Übung hin und wieder auffrischst, damit sich dein Hund den Rest seines Lebens daran erinnert. Aus diesem Grund solltest du auch zuerst prüfen, wo der Hund im Training steht, wenn du ein Tier aus dem Tierschutz adoptierst.

Dank dem semantischen Gedächtnis können Hunde sich ganz einfach an Dinge erinnern, auch wenn sie diese vor Jahren gelernt haben. Wenn ein Hund bereits die Grundkommandos kann, wird er sie nicht plötzlich bei dir vergessen haben. Diese Erinnerungen bleiben, auch wenn sich die Lebensumstände des Hundes verändern.

Das episodische Gedächtnis

Dass dein Hund sich an vergangenes Training erinnert ist gut, aber daran denken nur wenige Hundehalter, wenn sie an die Vergangenheit ihrer Tierschutzhunde denken. Meistens fragen wir uns, was emotional bei dem Hund passiert ist. Hat der Hund seinen Besitzer geliebt? Wo hat der Hund geschlafen? Ist er gut behandelt worden?

Und hier wird es schwierig. Wenn wir Menschen uns an die Vergangenheit erinnern ist es fast, als würden wir in der Zeit zurückreisen. Wir versetzen uns in unsere damalige Lage und die Erinnerung spielt sich wie ein Film in unserem Kopf ab. Psychologen und Wissenschaftler nennen dies das episodische Gedächtnis. Es bezeichnet die Möglichkeit, spezifische Ereignisse mit Orten, Zeiten und Gefühlen in Verbindung zu bringen. Dies ist Teil unserer menschlichen Natur, aber bis heute sind Wissenschaftler sich nicht sicher, ob Tiere dieselbe Fähigkeit haben.

In einer Studie im Jahr 2016 wurden die aktuellsten Beweise dafür aufgezeigt, dass Hunde sich auf ähnliche Weise wie wir erinnern. Tierpsychologin Claudia Fugazza und ihr Team untersuchten das Gedächtnis von Hunden. Mit einem Experiment wollten sie herausfinden, ob Hunde ihr semantisches oder eine Art episodisches Gedächtnis nutzten, um sich an spezifische Signale zu erinnern. Die Details zu diesem Experiment findest du hier. Leider ist sie jedoch auf Englisch.

Am Ende der Studie kam man zu dem Schluss, dass Hunde ein „unerwartetes Potential“ haben, die Fähigkeit zu komplexen Erinnerungen zu haben. Fugazza geht zwar nicht soweit, zu behaupten, dass sie episodisches Gedächtnis ähnlich dem unseren haben, aber die Studie legt nahe, dass sie zumindest „episodisch-artige“ Erinnerungen besitzen. So können sie bestimmte Ereignisse auch in ihrem Langzeitgedächtnis speichern.

Ein entscheidender Aspekt beim edpisodischen Gedächtnis ist, dass die Erinnerungen ohne bewusste Anstrengung erfolgen. Es gibt einen Unterschied zwischen dem Erinnern an eine mathematische Gleichung, weil du weißt, dass sie in einem Test dran kommt und dem Erinnern an den Ort, an dem du studiert hast, wie dein Kinderzimmer aussah oder dein Lieblingsstift. Diese Erinnerungen helfen dir nicht beim Test weiter, aber dein Gehirn erinnert sich trotzdem daran, auch wenn du es nicht bewusst tust.

Weil wir unsere Hunde aber nicht fragen können, gibt es keine konkrete Art herauszufinden, ob sie sich in ähnlicher Weise an Erlebnisse erinnern, wie wir. Die meisten Wissenschaftler sagen nein, aber das heißt nicht, dass unsere Hunde sich nicht Dinge aus der Vergangenheit erinnern können. Denn einen weiteren Aspekt beim Gedächtnis gibt es noch.

Das assoziative Gedächtnis

Da die Fähigkeit der Hunde, dass sie episodisches Gedächtnis nutzen können, noch nicht erwiesen ist, bringt uns das zu der Art Gedächtnis, die Hunde am häufigsten benutzen – dem assoziativen Gedächtnis.

Assoziationen sind emotionale Verbindungen zu einem spezifischen Reiz und sie können entweder positiv oder negativ sein. Ein Beispiel für eine positive Assoziation ist die Freude und Aufregung, die ein Hund hat, wenn er spazieren gehen oder auf die Hundewiese darf. Sie erinnern sich (höchstwahrscheinlich) nicht mehr an den spezifischen Tag letzte Woche, an dem sie 30 Minuten lang wie bekloppt mit dem kleinen Foxterrier gespielt und sich hinterher in einer Matschpfütze gewälzt haben, aber sie erinnern sich auf jeden Fall, wie sie sich das letzte Mal gefühlt haben. Sonst würden sie sich ja nicht so freuen. Und damit verbinden sie die Emotionen mit dem Ort.

Hunde assoziieren mit so ziemlich allem, was ihnen begegnet. Dem Staubsauger, ihren Spielzeugen, Familienmitgliedern – sie lernen, alles mit einem Gefühl zu assoziieren. Deshalb erinnern sie sich auch immer daran, welches Spielzeug sie am liebsten mögen, erkennen Menschen, die sie gern haben, aber auch die, denen sie besser aus dem Weg gehen sollten.

Höchstwahrscheinlich nutzen Hunde eine Mischung aus semantischem und assoziativem Gedächtnis, auch um ihre Vergangenheit mit dem Jetzt in Verbindung zu bringen. Wenn du also deinen frisch adoptierten Hund mit ins Auto nehmen willst und er sich plötzlich weigert, einzusteigen, könnte es sein, dass ihm sein assoziatives Gedächtnis gerade negative Gefühle dem Auto gegenüber gibt. Er denkt wahrscheinlich nicht an das eine Mal zurück, als ihnen im Auto schlecht wurde, aber aufgrund dieser Erfahrung assoziiert er das Auto nun mit einem schlechten Gefühl.

Es gibt keine klare Antwort auf die Frage, ob Hunde in der Lage sind, sich an Dinge zu erinnern, aber alles in allem zeigt die Erfahrung mit Tierschutzhunden immer wieder, dass sie sich durchaus an bestimmte Aspekte ihrer Vergangenheit erinnern können. Die spezifischen Erlebnisse und Details liegen bereits seit langem hinter ihnen, aber bestimmte Reize geben dem Hund dennoch ein Gefühl, das langfristig bei ihm bleibt. Das Gedächtnis unserer Hunde ist zwar nicht so wie unseres, aber es ist keine Frage, dass nicht auch sie sich an signifikante Aspekte ihrer Vergangenheit erinnern können. Dies beinhaltet Menschen, mit denen sie viel Zeit verbracht haben oder Orte, an denen etwas besonderes passiert ist.

Wenn sie es uns doch nur erzählen könnten…