Bei uns in der Nachbarschaft stand Nachwuchs an und ich durfte als Geburtshelfer dabei sein. Da ich sowas noch nie gemacht hatte, habe ich mir die wichtigsten Infos zu Hundegeburten zusammen gesucht, damit ich wenigstens theoretisch einen Plan habe. Nun berichte ich von der Geburt der Chihuahua-Welpen und wie es wirklich war.

Theorie und Praxis liegen bekanntlich weit auseinander, deshalb dachte ich, bevor es für mein eigenes Lieblingsrudel Nachwuchs geben soll (siehe 18 Abenteuer für das Lieblingsrudel), tut ein bißchen Praxis doch ganz gut. Die neuen Nachbarn erwarteten unerhofft Chihuahua Nachwuchs und haben mich gefragt, ob ich bei der Geburt als moralische Stütze dabei sein kann. Ich bin ja immer offen für neue Herausforderungen und habe die Chance genutzt und sofort „Ja“ gesagt.

Nachdem der errechnete Geburtstermin vom 29.05. auf den 16.06.18 verschoben wurde (man hatte sich verrechnet), war ich eigentlich relativ entspannt und dachte nur wenig an die bevorstehende Geburt. Letztes Wochenende waren wir viel unterwegs und ich freute mich Sonntagabend eigentlich schon auf mein Bett, als mich der Anruf erreichte. Mein Nachbar sagte, es ginge jetzt los und ob ich rüberkommen könnte. Meine Frage, wie weit sie sei, wurde mit „Presswehen“ beantwortet. Vielen Dank für die rechtzeitig Vorwarnung übrigens. Das hätte man in den stundenlangen Vorwehen auf keinen Fall kurz ankündigen können… 😉

Wie von der Tarantel gestochen sammelte ich die letzten Sachen ein und begann mich auf die 10-minütige Suche nach meinen Schuhen, die von Freya vermutlich in den Garten verschleppt worden waren. Leider war es mittlerweile zu dunkel, also musste ich die Winterstiefel rauskramen…

Der erste Welpe kommt

Als ich ankam war die Kleine tatsächlich schon wie wild am Hecheln und hatte zwischendurch starke Wehen. Es war auch schon alles vorbereitet, wie ich es aufgetragen hatte (siehe Blog Geburtsvorbereitungen). Amy, die Hundemama, rannte herum, ging unter das Sofa und wieder zurück in ihre Wurfkiste. Man konnte deutlich sehen, dass die Geburt kurz bevorstand.

Nach kurzer Zeit zeigte sich auch schon die Fruchtblase, die allerdings nicht platzen wollte. Zuerst leckte Amy selber, aber nach einer gefühlten Ewigkeit beschlossen wir, dass wir helfen müssen und schnitten diese mit einer desinfizierten Nagelschere vorsichtig auf. Herrchen schnitt, während ich die Fruchtblase auseinander zog, damit der dahinter folgende Welpe nicht verletzt wird. Mit einem Schwall kam das Fruchtwasser heraus und machte dabei den Weg frei und geschmeidig.

Dann passierte eine Weile nicht viel, wobei ich sagen muss, dass ich ohnehin Schwierigkeiten mit meinem Zeitgefühl hatte. Schließlich zeigte sich eine erste kleine Pfote, dann die zweite. Amy hechelte und presste nun immer heftiger, aber so richtig ging es nicht vorwärts. Der Welpe war unglaublich groß, wie ich fand. Ich hatte mir, ehrlich gesagt, Chihuahua Welpen eher so in der Größe von frisch geborenen Ratten vorgestellt (Chihuahua Besitzer jetzt bitte nicht böse werden) und Amy ist auch eine ganz kleine und zierliche.

Nach ca. 15 Minuten schaute der Welpe so weit heraus, dass ich es wagen konnte, vorsichtig zu helfen. Ich desinfizierte mir noch einmal die Hände nahm den Waschlappen mit warmem Wasser und griff um den Welpen. Zuerst rutschte ich mit dem Handschuh immer wieder ab, weil er auch zu eng war (es war eine Art Handschuh-Waschlappen). Dann habe ich es mit den Einweghandschuhen versucht, aber da fehlte mir jegliches Gefühl, also habe ich nach kurzem Rumprobieren darauf verzichtet und mir statt dessen lieber häufiger die Hände desinfiziert. Mit der bloßen Hand hatte ich besseren Griff und mehr Gefühl, ich wollte ja nichts zerdrücken. Immer, wenn Amy Presswehen hatte zog ich an dem Welpen. Wenn die Wehe vorbei war, wartete ich kurz ab.

Amy hat das Prinzip sehr schnell begriffen und begann bald, alles allein zu machen. Mit ihren kleinen Hinterpfötchen drückte sie gegen meine Hand und presste. Dazwischen schaute sie mich immer wieder an. Das war schon ein toller Moment, wo wir beide – eigentlich völlig Unbekannte, weil wir uns vorher nur 3-4 mal gesehen hatten, als echtes Team zusammen arbeiteten. Dann flutschte der Welpe irgendwann wie von allein heraus. Und auch die Nachgeburt folgte in Windeseile.

Amy drehte sich sofort um und begann, die Sauerei aufzulecken. Sie fraß auch die Plazenta direkt, so dass ich mich in den ersten Minuten um den Welpen kümmern musste. Ich entfernte die Hülle, wie in der Vorbereitung zu lesen war, war aber erstaunt, wie widerstandsfähig die war. Es war gar nicht so einfach, die zu zerreißen und ich hatte auch leichte Panik, weil ich wusste, dass der Welpe ersticken könnte, wenn Maul und Nase nicht schnell genug gesäubert werden würden. Was mir allerdings zu dem Zeitpunkt nicht auffiel war, dass er sich nicht bewegte…

Ich entfernte also die Schutzhaut, tunkte schnell den Waschlappen ins Wasser, hielt den Welpen kopfüber und schüttelte ihn leicht. Zwischendurch wischte ich immer wieder den Schleim von der Nase und hielt ihn Amy hin, damit sie ihn trockenlecken konnte. Doch die interessierte sich mehr für die Nachgeburt und leckte immer nur kurz und ziemlich halbherzig. Dann erst bemerkte ich, dass der Kleine immer noch nicht atmet.

Ich konnte nicht viel denken in dem Moment. All die Eindrücke der Geburt und nun die Angst, dass der Kleine tot ist. Dennoch konnte ich irgendwie die Eckdaten aus meinem Gehirn kramen und fing an, den Welpen mit dem Waschlappen etwas kräftiger zu massieren. Ich hatte die Hoffnung, dass dadurch der Blutkreislauf und die Atmung angeregt werden, aber er wurde schnell kälter. Als mir klar wurde, dass da nichts mehr zu machen ist, legte ich den Kleinen noch einmal zur Mutter. Die schnüffelte, leckte ein wenig und legte dann den Kopf daneben und schloss die Augen. Offensichtlich wusste sie, was los war.

Wir waren alle ganz schön geschockt und ich fragte mich, ob ich etwas falsch gemacht hatte. Die Besitzer waren die ganze Zeit nicht in der Lage gewesen, eine Entscheidung zu treffen, sonst hätte ich mich bei der ganzen Prozedur nicht so mitten ins Geschehen geworfen. Auch die beiden waren geschockt und natürlich hatten wir nun Angst, was mit dem Rest der Welpen ist. Frauchen hielt den kleinen Wurm, den ich provisorisch in Küchenpapier gelegt hatte, in den Händen und war am Boden zerstört. Herrchen saß geschockt hinter uns auf der Couch und sprach seine Sorgen um den Rest des Wurfes offen aus. Doch so schnell wollte ich mich nicht geschlagen geben.

Frauchen brachte den toten Welpen vor die Tür um sich von ihm zu verabschieden und ein paar Minuten später schickte ich Herrchen hinterher, um nach ihr zu sehen. Die beiden sollten ein paar Minuten für sich sein und auch ich wollte ein paar ruhige Minuten mit Amy, die schon wieder angespannt hechelte. Der Rüde, der die ganze Zeit mit im Raum gewesen war, begleitete die beiden nach draußen. Es war gut, mit der Hündin allein zu sein, denn immerhin hatten wir gerade zusammen richtig was durchgemacht. Ich brauchte ein wenig Zeit, um mich zu sammeln. Der nächste Welpe muss besser klappen, hoffte ich inständig und schickte ein kleines Stoßgebet an den Gott meiner Wahl.

Welpe Nummer 2 ist im Anmarsch

Als Herrchen und Frauchen zurück kamen, schaute schon ein Stück der nächsten Fruchtblase heraus. Ich beschloss, dass es mit dem Rüden im Raum zu viel Unruhe war, denn der war vom Geruch ein wenig fehlgeleitet und rammelte alles, was ihm in den Weg kam. Auch von Amy wollte er nicht so Recht ablassen. Also mussten Herrchen und Vater vor die Tür! Das war eine gute Entscheidung, denn der nächste Welpe kam etwas schneller und auch schon um einiges routinierter.

Während ich die Fruchtblase, die wieder nicht von allein platzen wollte, straff hielt, schnitt Frauchen mit der frisch desinfizierten Schere. Wir hatten ein paar Lagen Küchenrolle drunter gelegt, so war alles schnell wieder sauber. Amy hatte sich in der Zwischenzeit von der Wurfkiste in ihre normale Höhle zurückgezogen, was das Rumhantieren an ihr etwas schwerer machte, ihr aber offensichtlich ein besseres Gefühl gab. Nachdem alles sauber war, warteten wir auf den Welpen, was mir Zeit gab, mit Frauchen zu sprechen und ihr ein bißchen Mut zu machen.

Der zweite Welpe kam mit dem Kopf zuerst und als wir in Amys Nest schauten, waren wir direkt entzückt. Ich desinfizierte mir die Hände, Frauchen reichte den Waschlappen, der wir vorsichtig unter Amys Hintern schoben. Dann begann ich wieder, während der Presswehen leicht zu ziehen. Relativ schnell hatte ich den Kopf in der Hand und vorsichtig weiterziehen. Dann spürte ich plötzlich eine leichte Bewegung in der Hand, war mir aber nicht sicher. Als er halb raus war, kam eine zweite Bewegung und ich war so unfassbar erleichtert, das kannst du dir nicht vorstellen. Sogar wenn ich jetzt daran denke, bekomme ich noch eine Gänsehaut. Es war einfach so ein unbeschreiblich schöner Moment!

Um 3.25 Uhr erblickte ein wunderhübsches, weißes Chihuahua-Mädchen mit schwarzen Flecken das Licht der Welt! Amy stürzte sich ohne Umschweife auf die Nachgeburt, also musste ich wieder ran. Noch war die Kleine nicht ganz bei Sinnen. Ich riss die Schutzhaut auf, wischte Maul und Nase frei, hielt sie kopfüber und schüttelte leicht. Dann wischte ich immer wieder die Nase ab, bis die Kleine zu atmen begann. Dann wurde so mit dem Waschlappen und warmem Wasser abgerubbelt, damit der Kreislauf in Gange kam. Zwischendurch hielt ich sie immer wieder zu Amy rüber, damit die sich gleich miteinander bekannt machen konnten. Eigentlich sollte sie alles selber machen, damit sich die Mutter-Kind-Beziehung bildet. Als Amy mit der Nachgeburt fertig war und die Kleine bereits anfing zu quietschen, legten wir sie zu ihrer Mama an die Zitze. Amy begann sofort mit der weiteren Körperpflege und die Kleine fing an zu trinken.

Frauchen und ich schauten noch eine Minute entzückt in die Höhle, dann stand ich auf, um mich mit Herrchen abzuwechseln. Als ich ihm sagen konnte, dass alles okay war und der Welpe lebt, kippte richtig meine Stimme und ich hatte Tränen in den Augen, so erleichtert war ich. Dann passte ich ein paar Minuten auf den Vater auf, gratulierte ihm und setzte mich zu ihm auf die Treppe.

Ich glaube, das war´s jetzt

Als ich mit dem Vater zurück ins Zimmer kam, saßen Herrchen und Frauchen glücklich vor Amys Wurfhöhle und bestaunten das kleine Wunder. Auch der Vater ging jetzt hallo sagen und war überrascht, dass Amy ihn wegknurrte. Er hielt dann aber respektvoll Abstand und wir konnten uns einen Augenblick freuen. Amy war fix und fertig, weshalb ich kurz nach Hause fuhr und ein wenig Hühnerbrühe für sie kochte. Das soll angeblich helfen, die ausgelaugte Hündin nach der Geburt zu unterstützen. Ein bißchen hat sie getrunken, aber dann vergrub sie den Kopf in der Decke und schlief ein. Wir betrachteten sie noch eine Weile, dann gingen wir eine rauchen. Normalerweise habe ich einen Vaporizer, aber jetzt brauchte ich eine Zigarette!

Da beide Welpen sehr groß waren, vermuteten wir jetzt einfach, dass es vorbei wäre. Es war mittlerweile auch schon 6 Uhr morgens und wir waren alle müde. Ich schaute noch mal nach Amy, aber die versuchte augenscheinlich zu schlafen. Also verabschiedete ich mich mit den Worten „Ruft an, wenn noch was ist!“ und fuhr nach Hause.

Dort wurde ich natürlich von Murdoch und Freya genauestens unter die Lupe genommen. Es roch ja alles an mir nach Entbindungsstation. Sie wirkten sehr überrascht, aber waren interessiert und schienen zu verstehen, was passiert war. Irgendwie habe ich auch den Eindruck, dass sie ein bißchen beeindruckt waren, was ihr Frauchen so macht. Aber da kann ich mich natürlich täuschen… 😉

Der letzte kommt per Kaiserschnitt

Am nächsten Morgen bekam ich eine What´sApp aus der Tierarztpraxis, wo Amy kurz davor war, einen dritten Welpen per Kaiserschnitt zu bekommen. Als Herrchen und Frauchen bemerkt hatten, dass ihre Prinzessin wieder zu hecheln und pressen anfing, sich aber auch nach einer halben Stunde nichts tat, haben sie sich gleich an den Tierarzt gewandt. Das war auch gut so, denn dort stellte sich heraus, dass Welpe Nummer 3 mit Abstand der größte war, Amys Becken viel zu klein für ihn und dass er außerdem in einer sehr ungünstigen Position lag und definitiv nicht alleine rauskommen konnte.

So wurde also ein paar Stunden später noch ein wunderhübscher, pechschwarzer Rüde geboren. Er wurde auf den Namen Blacky getauft und seine Schwester heißt Marry. Bei dem Kaiserschnitt stellte die Tierärztin außerdem fest, dass der Uterus sehr dünnwandig und an einigen Stellen schon kurz vor dem Einreißen war. Den hat man ihr dann direkt mit entfernt.
Ich finde es schon ein bißchen traurig, dass die Hündin nun mit bereits 10 Monaten kastriert ist. Ich gehe (in meiner Unwissenheit) aber auch mal davon aus, dass es einfach viel zu früh mit einer Trächtigkeit für die Kleine war. Der Uterus war vielleicht noch nicht richtig ausgebildet und hat daher den Strapazen nicht so gut standgehalten. Deshalb, auch wenn es in diesem Fall wohl ein Versehen gewesen ist: Wenn du wirklich Welpen willst, dann warte ein bißchen, bis die Hündin nicht nur die körperliche, sondern auch die geistige Reife entwickelt hat. Alles andere ist einfach nur gefährlich!

Und noch etwas: Diese Schutzhöschen für die Läufigkeit sind KEIN VERHÜTUNGSMITTEL! Hunde, besonders wenn sie als Pärchen gehalten werden, entwickeln einen unglaublichen Einfallsreichtum, wenn es darum geht, entweder das Höschen loszuwerden oder zum Objekt der Begierde zu gelangen. Denn das ist in dieser Zeit wirklich das Einzige, was für die meisten Hunde zählt.

Hundemama mit ihren beiden Welpen

Das war jetzt ein sehr langer Artikel, bitte entschuldige. Aber ich musste meine Gedanken dazu einfach mal loswerden, weil es mich schon sehr beeindruckt hat. Ich bin wirklich dankbar, dass ich die Gelegenheit hatte, so etwas mal mitzuerleben und obwohl Chihuahuas sonst nicht meine Liga sind, muss ich den Hut ziehen vor Amy, die das einfach wunderbar gemeistert hat. Und irgendwie fühle ich mich auch als eine Art Patentante von der kleinen Marry. Oder was wäre ich dann?