„Du musst deinem Hund zeigen, wer der Rudelchef ist!“ Hast du diesen Satz auch schon mal gehört? Ich sage das auch häufiger und nicht selten kommt es vor, dass daraufhin eine wahre Schimpftirade folgt. Irgendwie scheinen die meisten Leute doch immer noch einen vollig falschen Eindruck davon zu haben, was ein guter Rudelführer ist. Deshalb möchte ich dir heute mal meine Sicht zu dem Thema näher erläutern.

Nachdem ich neulich einen Artikel veröffentlicht habe, ob Cesar Milan ein Hundeflüsterer oder Tierquäler ist, kam besonders in den Sozialen Medien große Kritik. Dabei ging es manchmal gar nicht so sehr um Cesar Milan, der in der Hundewelt durch seine teilweise umstrittenen Methoden ja stark kritisiert wird. Es ging häufig in den Kommentaren um reine Definitionsfragen, im heutigen Fall das Wort „Rudelchef“. Ich weiß ja, dass es heftige Diskussionen schon allein um die Definition von „Rudelchef“ gibt, ganz zu schweigen von den Interpretationen zu dem, was das im wahren Leben bedeutet.

Weil hier offensichtlich die Meinungen stark auseinander gehen, möchte ich mal meine Definition eines Rudelchefs beschreiben. Das ist nämlich ganz und gar keiner, der dauernd den Chef raushängen lässt und alle Mitglieder in seinem Rudel terrorisiert und rumkommandiert. Für mich bedeutet Rudelchef in erster Linie jemand, der für die Sicherheit des Rudels sorgt, genug Ressourcen beschafft und ansonsten ein recht entspannter Typ ist. Schaut man sich wilde Hunderudel an, ist doch auch irgendwie immer der ruhige, souveräne Hund der wahre Rudelchef, oder?

Für alle, die trotzdem gern Erbsen zählen und auf Definitionen herumreiten: Natürlich habe ich mir auch dazu Gedanken gemacht.

Was ist ein Rudel?

Was sagen denn der Duden und Wikipedia?

Duden: Gruppe wild lebender Säugetiere der gleichen Art (die sich für bestimmte Zeit zusammen geschlossen haben)

Wikipedia: Rudel bezeichnet in der Verhaltensbiologie eine geschlossene und individualisierte Gruppe von Säugetieren. Ein Rudel ist eine geschlossene Gruppe, weil die Mitglieder des Rudels nicht beliebig austauschbar sind. Ebenso ist es eine individualisierte Gruppe, weil die Mitglieder der Gruppe sich untereinander erkennen.

Ebenfalls bei Wikipedia: Der Begriff Rudel ist auch in die Alltagssprache übergegangen und bezeichnet Gruppen von Personen im Zusammenhang mit Verhalten oder Veranstaltungen. In einigen Mannschaftssportarten hat sich darüber hinaus der Begriff der Rudelbildung etabliert.

Geht man also nach der reinen Definition des Wortes „Rudel“ ist es schon richtig, dass man eine Gemeinschaft aus Hunden, Menschen und ggfs. noch anderen Tieren nicht als Rudel bezeichnen kann, weil wir ja nicht derselben Art angehören. Aber wenn wir mal ehrlich sind, was soll das? Wir leben mit unseren Hunden im Familienverband, sind genau wie sie sehr soziale Wesen und bezeichnen unsere Hunde als Familienmitglieder. Ist Familie nicht irgendwie das menschliche Rudel? Wie kann man also auf der einen Seite so auf einer Definition rumreiten und auf der anderen den Hund zur Familie zählen? Beginnt hier schon die Vermenschlichung?

Und was ist eigentlich mit deinem oder meinem Lieblingsrudel? Da sind ja im Prinzip nicht nur wir, die wir mit unseren Hunden zusammenleben, enthalten, sondern auch Familie, Freunde, Menschen die und wichtig sind und sogar alle möglichen anderen Tierarten enthalten. Einfach eine Gruppe, die harmonisch zusammenlebt, aufeinander Acht gibt und zum Wohle der Gemeinschaft handelt – die Urdefinition von Familie und gleichzeitig auch der Sinn eines Rudels. Im Prinzip dasselbe oder wie siehst du das?

Rudelchef oder Familienoberhaupt?

Wenn wir also sagen, dass Familie und Rudel im übertragenen Sinne ein und dasselbe sind, haben auch der Rudelchef und das Familienoberhaupt ähnliche Aufgaben. Dazu müssen wir uns erst mal fragen, wie wir selbst den Chef eigentlich definieren?

In den o.g. Diskussionen kommt oft sehr schnell heraus, dass die meisten einen Chef als imkompetentes Arschloch sehen, das andere unterdrückt und zu Dingen zwingt, auf die sie keine Lust haben. Jemand, der Entscheidungen trifft und durchsetzt, ohne wirklich Ahnung zu haben. Ich bin ja selbst schon lange selbständig und weiß, dass es nicht einfach ist, Mitarbeiter oder Teammitglieder zu führen. Aber mal ehrlich, gibt es wirklich so viele beschissene Chefs da draußen?

Für mich ist ein Chef jemand, dem ich mich gern anschließe. Ein guter Chef ist Ansprechpartner für Probleme, denn es ist in seinem eigenen Interesse zu erfahren, wenn es Probleme im Team gibt. Der Chef sorgt dafür, dass immer genug Ressourcen (in dem Fall Arbeit) vorhanden sind, die Stärken und Schwächen jedes einzelnen gesehen und er seinen Talenten entsprechend eingesetzt wird. Dem Chef ist es wichtig, dass seine Mitarbeiter motiviert bei der Sache sind und ihr Bestmögliches ins Hundternehmen einbringen können. Nur so garantiert er den Erfolg der Gruppe und somit auch deren Überleben.

Genauso muss ein Familienoberhaupt nicht der fiese Tyrann sein, der allen anderen seinen Willen aufzwingt. Die Zeiten sind doch wohl wirklich langsam vorbei. Die Frage ist also, warum so viele einen Chef als negativ empfinden und so emotional auf solche Aussagen reagieren. Irgendwas stimmt doch da nicht…

Der Rudelchef und die Hierarchie

Aus eigenen Beobachtungen kann ich bestätigen, dass es keine wirklich feste Hierarchie in einem Rudel geben muss. Auch bei Murdoch und Freya wechselt es häufig und ich bin mir in bestimmten Situationen nicht sicher, wer hier eigentlich die Hosen an hat. Ich habe oft das Gefühl, dass sie es je nach Situation und Aufgabe entscheiden und eher danach gehen, wer von den beiden welche Eigenschaften und Talente mitbringt. Das finde ich persönlich sehr gutes Management und bin dazu übergangen, mich in diesem Rudelgefüge als Zentrum zu sehen.

Zum Beispiel, wenn wir draußen unterwegs sind und ich möchte, dass die Hunde bei mir laufen. Dann rufe ich sie ran, sage „Fuß“ und laufe weiter. Murdoch reiht sich dann immer ca. eine Schrittlänge vor mir ein, Püppi läuft eine Länge hinter mir. Beide gehen also nicht bei „Fuß“, wie wir es im klassischen Sinne kennen. Ich weiß aber, dass Murdoch als Rüde gern vorn läuft und dabei eine Art Wächter oder Späher spielt. Püppi zockelt meist gemütlich hinter uns her und behält das Rudel von hinten im Auge. Ich weiß, dass sich die beiden nicht aus ihren Positionen heraus bewegen, bis ich die Freigabe gebe. Aber ich muss auch kein Arschloch-Chef sein, der aus einem unbestimmten Grund darauf beharrt, dass alle mit ihrer Nase auf Höhe meiner Beine laufen.

Sind wir nachts unterwegs und es gruselt mich mal wieder, nutze ich gern den sechsten Sinn meiner Hunde und verlasse mich auf sie. Finden sie etwas komisch (bei uns leben z.B. Wölfe in der Gegend) vertraue ich sofort darauf und reagiere entsprechend der Rückmeldung, die mir die beiden geben. Deshalb gebe ich nicht meine Position als Rudelchef auf, sondern gebe Anerkennung für die Stärken und Talente in meinem Lieblingsrudel.

Auch Chefs müssen nicht alles können! Deshalb engagieren sie sich Leute, die bestimmte Aufgaben besser übernehmen können, als sie selbst, weil es dem großen Ganzen hilft.

Viele von uns neigen ja auch dazu, den Hund permanent mit Befehlen zu bombardieren. Ich persönlich arbeite gern mit Chefs zusammen, die mir auch meine Freiheiten lassen und nicht jeden Schritt kontrollieren wollen oder mich sogar nur an der Leine spazieren führen, so dass ich quasi keine eigenen Entscheidungen mehr treffen kann. Ich überzeichne das natürlich ein bißchen, aber rumkommandieren und alles vorschreiben ist auch nicht das, was wirklich gute Chefs machen sollten. Die lassen ihren Rudelmitgliedern Freiräume und entscheiden nur, wenn es etwas Wichtiges zu entscheiden gibt. Alles andere nennt man Micro-Management und damit kann man sowohl Menschen als auch Hunde zur Weißglut treiben! 😉

Ich bin und bleibe Rudelchef aus Überzeugung!

Also, mir ist es echt egal, ob Leute behaupten, die Benutzung des Wortes „Rudelchef“ würde vor Unwissenheit strotzen und absolut falsch sein. Ich unterstelle einfach mal, dass diese Leute eine gestörte Beziehung zu ihren Vorgesetzten haben müssen. Es wundert mich nicht, denn wir Menschen sind die einzige Tierart, die einem inkompetenten Anführer folgen würde. Kein Wunder also, dass manche sich so vehement gegen den „Rudelführer“ streuben, dann aber brav jeden Tag auf einer Arbeit erscheinen, die sie eigentlich hassen. Mir ging es auch lange so, aber ich habe irgendwann die Entscheidung getroffen, dass ich lieber mein eigener Chef bin.

Ich sehe meine Aufgabe als Rudelchef in erster Linie darin, mein Lieblingsrudel gut zu versorgen, ihnen ein guter Ansprechpartner zu sein und jeden einzelnen für das zu würdigen, was er zur Gemeinschaft beiträgt. Da ist es egal, wie man es nennt. Wichtig ist, dass sich vielleicht mal das Verständnis der Leute ändert und man aufhört, sich über Details zu streiten und damit den Mythos am Leben erhält oder die Botschaft in die Welt trägt und das Verständnis anderer verändert. Mit diesem Beitrag möchte ich meinen Teil dazu beitragen, weil ich wirklich finde, dass nicht nur jeder Hund einen tollen Rudelchef verdient, sondern auch jeder einzelne von uns einen Job hat, zu dem er gern geht.

Noch ein Buchtipp am Rande: Besonders beeindruckt hat mich die Ansicht von Ulv Philipper in seinem Buch DOG MANAGEMENT. Hier kannst du eine kleine Rezension dazu lesen.