Hundeerziehung hat viel mit unserer inneren Einstellung und dem Glauben an uns selbst zu tun. „Du musst dem Hund begreiflich machen, dass du der Rudelführer bist und die Ansagen machst!“ Nicht ohne Grund scheint dies einer der beliebtesten Sätze bei Hundetrainern zu sein. Denn tatsächlich liegt der Grund für Missverständnisse zwischen Mensch und Hund meist in unserer Körpersprache. Aber mal ehrlich, wer weiß schon wirklich, wie das funktionieren soll? Warum aufrecht und energisch gehen alleine nicht ausreicht, schauen wir uns heute mal genauer an.

Du musst der Chef für deinen Hund sein! Derjenige, der die Ansagen macht und sagt, wo es lang geht. Das ist – mehr oder weniger stark ausgeprägt – der Grundkonsens so ziemlich jeder Hundeschule, die was auf sich hält.

Probleme mit dem Hund werden immer vom Menschen verursacht. Der Hund spiegelt nur deine Gefühle wider und reagiert entsprechend. Wenn du die richtige Ausstrahlung und ein selbstsicheres Auftreten an den Tag legen würdest, könntest du viel besser auf deinen Hund einwirken und ihr würdet nicht so viele Probleme haben.

Schön, oder? Du bist also Schuld, wenn dein Hund ein Leinenrambo ist, sein Futter oder Spielzeug verteidigt oder dich und deine Mitmenschen sonstwie tyrannisiert. Durch mehr Selbstbewusstsein und aufrecht gehen soll sich das nun wieder ins Lot bringen lassen?

Wie bekommt man denn mehr Selbstbewusstsein und Sicherheit im Umgang mit dem Hund? Das was humanpsychologisch dahinter steht bekommen wir nämlich in der Hundeschule meist nicht verraten. Ich versuche mal, dieses doch recht komplexe Thema anhand einiger Beispiele deutlich zu machen.

Körpersprache in der Hundeerziehung

Deine Körpersprache, Mimik, Gestik und der Klang deiner Stimme verraten deinem Hund viel über deine aktuelle Verfassung. Bist du verunsichert, weil einer deiner Kollegen dich ohne Grund mobbt? Hast du Terminstreß und weißt gar nicht, was du zuerst machen sollst? Dein Hund hat das bereits lange vor dir mitbekommen.

Wenn wir unsicher oder gestreßt sind, neigen wir dazu, Dinge nicht mehr so gut einschätzen zu können, weil wir unseren Fokus oft auf die falschen Details richten. Unsere Fähigkeit, gute Entscheidungen zu treffen sinkt, je weiter der Streßpegel (ich meine negativen Streß) ansteigt. Das bringt uns innerlich aus der Balance.

Da du für deinen Hund immer mit dem ganzen Körper kommunizierst (ob du es nun wahrnimmst oder nicht), bemerkt er die Unsicherheit in deinem Auftreten sofort. In seinen Augen ist es nun keine gute Idee mehr, deinen Anweisungen zu folgen, weil er dir nicht vertraut, dass du die richtigen Entscheidungen für euch beide treffen kannst. Das ist für ihn aber wichtig, allein schon evolutionär und instinktiv gesehen. Die eigene Sicherheit und die seines Rudels stehen für deinen Hund an oberster Stelle. Deshalb kann man ihm eigentlich auch gar nicht vorwerfen, wenn er dir in einem instabilen Zustand nicht mehr folgt.

Nun hilft es allerdings herzlich wenig, wenn du gesagt bekommst, du sollst aufrecht gehen. Wenn du dich innerlich klein und unsicher fühlst, wird auch ein aufrechter Gang deinem Hund nicht das Vertrauen in dich geben, das er haben soll. So schnell kannst du ihm nichts vormachen!

Je nachdem, wie angestrengt du versuchst, gerade zu gehen und selbstsicher zu wirken, desto unentspannter kommst du rüber. Wahre Führung kommt von innen und dazu ist es wichtig, dass du deine eigenen Gefühle bemerkst, verstehst und entsprechend mit ihnen umgehst. Wenn du unsicher bist, dann ist das eben so!

Nimm die Gefühle an und versuche sie zu ergründen. Nur dann hast du eine Chance, das ganze Ding mit dem Hundeflüstern zu begreifen. Denn eigentlich geht es vielmehr darum, sich selbst zu verstehen und seine Emotionen kontrollieren zu können. Das ist nicht immer einfach und erfordert viel Übung.

Manchmal sind wir einfach zu niedergeschlagen, um selbst die Kraft für diesen Denkprozess aufzubringen. Dann ist das eben so! Akzeptiere die Gefühle und versuche es später (oder morgen) erneut. Steter Tropfen höhlt den Stein, es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen usw. Sei authentisch mit all deinen Fehlern und arbeite daran. Dein Hund kann dir helfen, denn er ist ein wunderbarer Spiegel deiner Gefühlswelt.

Mit dem Hund in der Mitte treffen

Du kannst an deinem Hund wunderbar ablesen, ob du gerade authentisch rüber kommst und man dich ernst nehmen kann oder eben nicht. Dazu fällt mir ein Beispiel einer Interaktion zwischen Freya und einem Freund von uns ein. Ich habe ja schon berichtet, wie sensibel Freya auf die Körpersprache und Ausstrahlung reagiert. Deshalb ist es manchmal wirklich eine Gratwanderung mit ihr und man muss sich selbst so richtig unter Kontrolle haben. Besonders, wenn sie abspackt… 😉

Besagter Freund ist relativ groß und hat eine tiefe Stimme. An sich schon eine beeindruckende Statur. Freya, ihres Zeichen selbsternannte Wach- und Schutzbeauftragte unseres Haushalts, kann ihn daher manchmal nicht so richtig einschätzen und reagiert unsicher.

Der Freund wiederum merkt, dass sie nicht so stark den Kontakt zu ihm sucht, wie Murdoch und ihn öfter komisch anschaut. Demzufolge ist er im Umgang mit ihr immer ein wenig angespannt und unsicher.

Neulich standen wir bei uns in der Küche und haben uns über die Unstimmigkeiten zwischen ihm und Freya unterhalten. Unter anderem ging es darum, dass sie nicht auf ihn hört. Also habe ich ihn gebeten, Freya in ihr Körbchen zu schicken.

Er ging auf Freya zu, beugte sich halb zu ihr herunter und sagte: „Freya, geh ins Bett!“. Freya sah ihn an, bewegte sich aber nicht. Er wiederholte mehrmals seine Anweisung und seine Stimme wurde dabei immer unsicherer und gleichzeitig ungeduldiger. Freya bewegte sich keinen Zentimeter, schaute ihn nur an und fing sogar leise an zu knurren. Ich hab mich kurz dazwischen geschaltet und meinen Freund gebeten, einmal tief durchzuatmen.

Freya hat schon verstanden, was er gesagt hat und was er von ihr will. Er hat sie nur einfach nicht davon überzeugt, es auch zu tun. Seine Körpersprache war durch den vorgebeugten Oberkörper bedrohlich, seine Stimme klang tief und grollend und er war innerlich überhaupt nicht davon überzeugt, dass sie auf ihn hören würde. Dann wiederholte er sein Kommando mehrfach und wurde dabei in Freyas Augen immer aggressiver. Womöglich hat er bei jeder Wiederholung seines Kommandos auch noch seinen Oberkörper ein Stück mehr in ihre Richtung bewegt und somit in Hundesprache signalisiert, dass er angriffsbereit ist.

Ein klassisches Missverständnis zwischen Mensch und Hund. Keiner von beiden hat es böse gemeint, es hat aber auch niemand den Standpunkt des anderen ernsthaft in Betracht gezogen. Passiert uns übrigens auch in der Kommunikation mit unseren Mitmenschen relativ häufig, aber das sei nur am Rande erwähnt.

Einem Cane Corso, wie Freya es ist, gibt man keine Kommandos. Zumindest nicht, wenn man ein freundliches und umgängliches Exemplar haben möchte. Der beste Weg führt über Teamgeist denn so groß, stark und stur die Rasse auch sein mag: Sie lieben ihr Rudel!

Wie dem auch sei, ich bat meinen Freund, noch einmal tief durchzuatmen und ihr dann in einem netten und freundlichen Ton zu sagen, dass sie in ihr Körbchen gehen soll. Dabei sollte er aufrecht stehen bleiben und etwas Abstand zu ihr wahren. Nur den Kopf leicht in ihre Richtung drehen und mit dem Finger auf ihr Bett zeigen. Er sollte sie bitten, seiner Anweisung Folge zu leisten anstatt Kommandos zu erteilen. Und er sollte auf seine Stimme achten.

Als Freya nicht reagierte, ging er entspannt auf sie zu und berührte sie leicht mit dem Finger. Sie sprang wie von der Tarantel gestochen weg, halb spielerisch, halb aufmüpfig. Noch einmal sollte er ruhig durchatmen und einen weiteren Schritt auf sie zu machen. Zack, sie war im Körbchen!

Er lobte sie kurz mit der Stimme. Gestreichelt und Leckerchen gab es nicht, weil sie ja vorher kurz rumdiskutiert hatte. Dann wandte er sich ab und tat, was auch immer der wichtige Grund war, dass sie ins Bett und aus dem Weg gehen sollte.

Dieses Beispiel zeigt ganz deutlich, wie ein bißchen ruhigere und freundlichere Kommunikatopn bereits Druck aus der Beziehung nehmen kann und beide Seiten überhaupt erst in der Lage sind, respektvoll und freundlich miteinander umzugehen. Wenn man vom Hund nicht nur blindes Gehorsam erwartet, sondern nett und souverän kommuniziert, läuft es gleich viel besser. Weitere Tipps zu dem Thema findest du auch im Blogbeitrag 5 Alltagsübungen, die Mensch und Hund zum Team machen.

Vertraue deinem Hund

Es gibt Situationen, in denen ist es einfach praktisch, einen Hund zu haben. Wenn ich beispielsweise Abends im Dunkeln die letzte Runde mit meinen beiden gehe, dann bin ich mir vollkommen darüber im Klaren, dass ich mit meinen verkümmerten menschlichen Sinnen nicht immer alles sofort mitbekomme. Also mache ich mir gar nicht erst den Streß, als obercooler und alles im Griff habender Rudelchef auftreten zu wollen.

Ein Rudel ist ein Team und deshalb darf bei uns auch jeder seine besonderen Fähigkeiten und Talente einbringen. Bei den Hunden ist das die Tatsache, dass sie sozusagen als lebende Antennen durch die Gegend laufen. Man muss sie nur zu lesen wissen und schon wird das Leben wesentlich einfacher und entspannter.

Ich habe einen Decoder für die Antennen meiner Hunde:

  • entspanntes Pipirunden-Gesicht: Kopf auf dem Boden, Zeitung lesend
    Schlussfolgerung: alles in Butter, entspannt warten, bis die Stelle inspiziert wurde
  • Jagdgesicht: aufgestellte Ohren, Kopf in mittlerer Haltung, aufgestellter Schwanz, interessiertes Fixieren eines nicht näher erkennbaren Objektes in der Ferne
    Schlussfolgerung: Katze, Reh, Wildschwein oder sonstiges Getier in der Nähe
  • Irgendwas-stimmt-hier-nicht-Gesich: aufgestellte Ohren, Kopf und Schwanz, Punker (Nackenhaare aufgestellt), leichter Drang nach vorne zu laufen, näher inspizieren wollen
    Schlussfolgerung: hier bin ich als Entscheider gefragt und muss situationsbedingt eingreifen
  • ???-Gesicht: das ist alles, was nicht in die oberen Schubladen passt, also einfach nur dumm neben mir herlatschen, irgendwas Neues am Horizont erblicken, ein Auto kommt oder andere Alltagssituationen

Das ist natürlich nur mein persönlicher Decoder aufgrund des Charakters meiner Hunde, aber vielleicht findest du ja auch Situationen, in denen du das Verhalten deines Hundes in ähnlicher Art für dich nutzen kannst?

Wichtig ist, dass du nur die Signale empfängst und in erster Linie darüber entscheidest, ob du überhaupt reagieren und in Aktion treten musst. Bereits dort beginnt es, seinem Hund eine Aufgabe zu geben und ihm zu vertrauen. Er wird merken, dass du dich in bestimmten Situationen auf ihn verlässt und ihn als Teamgefährten anerkennst.

Wenn Murdoch beim Spaziergang ohne Leine läuft und uns ein Auto von vorn oder hinten entgegen kommt, bleibt er stehen und schaut sich zu mir um. Oft bemerkt er das Auto noch bevor ich es gesehen habe. Ich belohne ihn dann für seine Aufmerksamkeit und rufe ihn zu mir, wo er nochmals gelobt wird (diesmal, weil er zu mir kam). Dann widmen wir uns alle zusammen (als Team) dem Umweltreiz und ich entscheide, wie wir damit umgehen.

Wenn dein Hund überhaupt nicht auf dich achtet, solltest du dich zunächst etwas interessanter für ihn machen. Das geht besonders beim Gassi gehen richtig gut. Hier findest du noch einen kleinen Beitrag mit Tipps und Tricks für spannende Gassirunden.

Kennst du auch solche Situationen, in denen es eigentlich nur auf die innere Einstellung ankommt? Oder hast du Freunde in deinem Umfeld, die ähnliche Probleme haben, wie mein Freund, der Missverständnisse mit Freya hatte? Dann teile diesen Beitrag und hilf Hund und Mensch ein bißchen weiter.